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Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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anwesenden Herren zu werden. Und das würde dem Professor bestimmt missfallen. Kurz überlegte sie, ob sie nicht doch in Bluse und Rock zum Dinner erscheinen sollte, aber dann beschloss sie, es zu wagen.
    Entschieden griff sie nach ihrer Abendtasche, legte sich ihre Stola um die Schultern und stolzierte hocherhobenen Hauptes zum Speisesaal, was auf den Schuhen mit den hohen Absätzen gar nicht so einfach war. Zuhause trug sie meist praktische Stiefeletten. Sie kam sich verkleidet vor, als sie den prächtigen Saal mit den ausladenden Kronleuchtern betrat. Wie bereits befürchtet, wandten sich ihr augenblicklich etliche interessierte Blick zu. Erleichtert atmete sie auf, als sie den Professor entdeckte, der ihr zuwinkte. Schnellen Schrittes ging sie auf den Tisch zu.
    In seiner Begleitung fühlte sie sich gleich besser. Insgeheim bewunderte sie ihn für seine weltmännische Ausstrahlung. Sie war es von zuhause zwar gewöhnt, dass es mehrgängige Menüs gab, aber auswärts essen war sie so gut wie noch nie gewesen.
    Bevor der vornehme Kellner im Frack an ihren Tisch kam, flüsterte sie: »Bitte übernehmen Sie die Bestellung, Herr Professor. Ich mag so gut wie alles.«
    »Arthur«, raunte er zurück. »Nennen Sie mich Arthur.«
    »Aber nur, wenn Sie Antonia zu mir sagen.«
    »Antonia, Sie sehen umwerfend aus. Wenn Sie mich nicht schon auf den ersten Blick entzückt hätten, ich wäre es spätestens jetzt.«
    Wieder lief Antonia rot an, aber bevor sie etwas erwidern konnte, fragte der Kellner bereits nach ihren Wünschen. Arthur gab gerade die Bestellung auf, als Antonias Blick auf einen der benachbarten Tische fiel und dort hängen blieb. Es fuhr ihr durch Mark und Bein. Kein anderer als James Henson starrte sie an wie einen Geist. Seine Gesichtsfarbe wechselte von Weiß zu Rot, als er sich erhob und langsam mit starrer Miene auf sie zu kam. Bitte nicht, betete sie noch, da war er bereits an den Tisch getreten.
    »Guten Abend, gnädige Frau, das ist ja ein Zufall, dass wir uns hier treffen.«
    Antonia aber blickte ihn nur mit offenem Mund an. Selbst wenn sie gewusst hätte, was sie hätte sagen sollen, wäre es nicht gegangen. Ihr Mund war so trocken, dass die Zunge am Gaumen zu kleben schien.
    »Zufall würde ich das nicht nennen«, scherzte Arthur, der die brenzlige Situation noch nicht erkannt hatte. »Es ist ja einer der wenigen Orte in der Stadt, in dem ein Glas Wein zum Essen serviert werden darf. Ja, dann stelle ich mich mal vor. Ich bin Professor Arthur Evans, Zoologe an der hiesigen Universität. Und mit wem habe ich die Ehre?«
    Aber auch James hatte es nun ganz offensichtlich die Sprache verschlagen. Er stierte Antonia fassungslos an. Selbst die Hand, die ihm Arthur zur Begrüßung immer noch hingestreckt hielt, nahm er nicht wahr. Erst als Antonia aus ihrer Erstarrung erwachte und murmelte: »Schön, Sie zu sehen«, kam auch James wieder zu sich.
    »Oh, Verzeihung, ich bin James Henson, Schafzüchter aus Milton.«
    »Das ist Professor Evans«, sagte Antonia hastig.
    Arthur sah fragend von ihr zu dem Fremden. »Ja, ich hatte mich dem Herrn bereits vorgestellt. Wollen Sie sich vielleicht setzen?«
    »Nein, nein, ich kann meinen Geschäftspartner nicht allein am Tisch sitzen lassen; aber Antonia, würden Sie mir vielleicht verraten, wie ich Sie erreichen kann?«
    »Ich bin Gast im Hotel«, erwiderte sie, während ihr Herz wild klopfte. »Sagen Sie mir nur rasch, was ist aus Anne geworden?«
    »Sie hat einen reichen Mann aus London geheiratet und lebt mit ihm dort.«
    »Schön«, erwiderte Antonia knapp.
    »Dann will ich nicht länger stören. Nur eines noch: Wie lange bleiben Sie in Dunedin?«
    »Eine Woche.«
    »Gut, dann hören Sie von mir. Und zwar sehr bald. Ich wünsche einen guten Appetit.«
    Antonia starrte ihm verwirrt hinterher.
    »Ein Bekannter von Ihnen?«, fragte Arthur lauernd.
    »Ein alter Bekannter. Es ist sechzehn Jahre her, dass ich ihn zum letzten Mal gesehen habe.«
    Während des Essens wünschte sich Antonia nur eines: Schnellstens auf ihr Zimmer zu flüchten. Der Gedanke, mit James in einem Raum zu sitzen, war ihr unbehaglich. Er war so nah und doch so fern. Sie bemühte sich den Rest des Abends nach Kräften, mit Arthur eine normale Unterhaltung zu führen, doch es gelang ihr nicht. Sie wurde immer stiller. Ständig schielte sie zu dem Tisch hinüber, an dem James in ein scheinbar angeregtes Gespräch mit seinem Geschäftsfreund vertieft war. Ihr kam es so vor, als ob er ihre Blickrichtung

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