Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
deutete grinsend auf den Einkaufszettel ihrer Mutter, den Suzan immer noch in der Hand hielt. »Er nimmt mir alle anfallenden Arbeiten ab, der Gute!«
»Du bist unmöglich«, erwiderte Suzan und musste wider Willen lächeln.
Nun hatte sich Ethan tatsächlich in das Heer der Verehrer eingereiht, die ihrer kleinen kapriziösen Schwester die Schulbücher trugen, sie mit netten Geschenken überhäuften und sich glücklich schätzten, wenn sie nur in Debbies Nähe sein durften. Doch dann wurde Suzan gleich wieder ernst. Ethan war kein Fremder, sondern eher wie ein Bruder. Schließlich waren sie miteinander aufgewachsen, seit Norma seinen Vater Alexander verlassen hatte. Und Ethan war im Grunde ja auch ein netter Bursche. Aber er hatte keine eigene Meinung und schien sich ganz und gar abhängig von Debbie zu machen. Suzan hegte schon länger die Befürchtung, dass Debbie ihm völlig den Kopf verdreht hatte. Aber wie hätte sie ahnen sollen, dass er ihrer Schwester schon dermaßen nahegekommen war! Würde er so gutmütig bleiben, wenn Debbie ihn weiterhin in ihr Bett ließ, ihm aber gleichzeitig in aller Offenheit zu verstehen gab, dass er kein Mann für sie sein konnte? Und neigten unglücklich Verliebte nicht zu allerlei unvernünftigen Handlungen?
»Versprich es mir!«, wiederholte Suzan nachdrücklich.
»Meinetwegen.«
»Gut, dann sind wir uns einig. Dann kannst du dich gleich auf den Weg in die Stadt machen, um für Mom einzukaufen. Und wehe, du schickst Ethan!«
»Du bist gemein!«, schnaubte Deborah.
»Das haben große Schwestern nun mal an sich«, erwiderte Suzan belustigt und verließ eilig Debbies Zimmer. Ihre Koketterie wird sie noch einmal in Teufels Küche bringen, dachte sie, doch dann versuchte sie, die Gedanken an ihre Schwester endgültig abzuschütteln. Es gab noch einiges zu tun, bevor der Zoologe zu Besuch kam.
Nachdem Suzan noch einmal in das Moa-Verlies geeilt war, um ein paar letzte Ausstellungsstücke vorteilhaft in den Vitrinen zu präsentieren, stand sie nun verschwitzt vor ihrem Spiegel und überlegte, was sie anziehen sollte. In ihrem verstaubten Trainingsanzug wollte sie Mister Albee auf jeden Fall nicht empfangen. Sie entschied sich nach einigem Zögern für ihren Lieblingsrock, einen weit schwingenden schwarzen Tellerrock mit weißen Punkten. Sie machte sich eigentlich nichts aus Mode, aber zu diesem Kleidungsstück hatte Debbie sie neulich überredet. Der Schrank ihrer Schwester quoll nämlich über vor geblümten und gemusterten Kleidern und den dazu passenden Taschen, Schuhen und Gürteln. Obwohl es Barbra gar nicht leiden konnte, dass sich ihre Jüngste so ausstaffierte, ließ sie sich doch immer wieder erweichen, ihr das Geld zum Einkaufen zu geben. Geld war dank Antonias, Arthurs und auch einem Großteil von James' Erbe kein Problem in der Evans-Villa. Nur der alte Charles Wayne hatte dafür gesorgt, dass seine Enkelin Barbra keinen Cent von seinem Vermögen bekommen hatte.
Suzan entschied sich für eine weiße Bluse und schwarze flache Schuhe. Auf diesen schrecklich hohen Absätzen, die zurzeit modern waren, konnte sie keinen Schritt laufen. Kritisch drehte sie sich vor dem Spiegel. Es war ihr dichtes langes, zu allen Seiten störrisch vom Kopf abstehendes Haar, das ihr missfiel. Entschieden band sie es zu einem Pferdeschwanz zusammen und war danach wesentlich zufriedener mit ihrem Aussehen.
Er soll ja, wie ich bereits Mutter gegenüber deutlich gemacht habe, nicht mich beäugen, sondern die Knochen, sagte sich Suzan entschieden. Und trotzdem wollte sie ihm einen netten Empfang bieten. Erst würde sie ihn zu einem kleinen Imbiss ins Wohnzimmer bitten. Zu diesem Zweck hatte sie sich aus dem Weinkeller ihrer Mutter eine Flasche Wein stibitzt. Der Genuss italienischer Weine sei das einzige Vergnügen, das ihr noch bliebe, pflegte Barbra stets zu betonen. Den hatte Thomas sich schon vor dem Krieg immer über ein hiesiges Handelshaus aus Italien liefern lassen. Barbra hatte diese Tradition fortgesetzt, wenngleich sie ansonsten überaus erpicht darauf war, in ihrer Umgebung nichts mehr an Thomas Leyland erinnern zu lassen.
Suzan kannte sich nicht aus mit Weinen, sie trank in der Regel keinen Alkohol und hatte sich einfach eine Flasche von dem Roten gegriffen. Dazu wollte sie ein paar Häppchen servieren, wie sie es einmal bei Barbra gesehen hatte, als diese eine ihrer seltenen Gesellschaften gegeben hatte. Dann lud sie die Nachbarsfrauen ein, aber nur die Frauen. Die Ehemänner
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