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Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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Male hatte sie dieses Werk verschlungen. Nein, ihre Zuneigung zu Will war mehr wie ein ruhiger Fluss gewesen.
    Doch die Gewissheit, ihn niemals wiederzusehen, schmerzte sie unendlich. Wenn sie doch wenigstens ein Kind von Will unter dem Herzen trüge! Aber das hatte sein Bruder erfolgreich zu verhindern gewusst.
    Unwillkürlich kam ihr die erste Begegnung mit Richard in den Sinn. Damals, als er aus London zurückgekehrt war - eine höchst unangenehme Erinnerung. Er hatte dort sein Glück machen wollen, war aber zum Missfallen seines Vaters ruiniert in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Richards überhebliche Worte, als er sich ihr in den Weg gestellt hatte, klangen ihr noch im Ohr, als wäre es erst gestern gewesen.
    »Hallo, meine Hübsche, du musst die Tochter der Magd sein. Ich erkenne es an deinem blonden Haar. Du bist ja vom hässlichen Entlein zu einem Schwan erblüht. Warst du denn auch schon mal im Heu?«
    »Lass das nur nicht deinen Bruder hören!«, hatte Selma in strengem Ton erwidert.
    »Ach, der spielt doch nur den Tugendhaften. Der würde liebend gern mit dir ins Heu kriechen. Wetten?«
    »Meinst du? Dann werde ich ihm mal vorschlagen, eine Nacht im Heu zu schlafen statt in unserem Ehebett.«
    Selma lächelte bei der Erinnerung an seinen offenen Mund, der ihn recht dämlich hatte aussehen lassen. Nie wieder hatte er sich ihr gegenüber so eine Unverfrorenheit herausgenommen - bis zum heutigen Tag. Da hatte er seine Maske fallen lassen. Nachträglich bedauerte sie zutiefst, dass sie den Vorfall damals nicht Will gepetzt hatte. Vielleicht würde er dann heute noch leben.
    Selma liefen immer noch die Tränen über das Gesicht. Ihr Lächeln war verschwunden. Sie sah traurig aus. Ich muss fort, dachte sie und lauschte. Vor ihrer Zimmertür war es ruhig geworden. Wahrscheinlich hat Richard aufgegeben und wiegt sich in der Sicherheit, dass ich ohne Geld nicht weglaufen werde, mutmaßte Selma.
    Vorsichtig erhob sie sich und schlich zum Fenster, um es zu öffnen. So würde er glauben, sie wäre von dort aus in die Nacht geklettert. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, als sie schließlich leise den Türschlüssel umdrehte, die Klinke hinunterdrückte und einen Blick in den düsteren Flur warf. Richard war verschwunden. Und nun? Ob sie diesen netten Mister Piwi wirklich um Hilfe bitten sollte? Sie hatte keine andere Wahl, er war der Einzige, den sie in diesem fremden Land kannte. Behutsam einen Fuß vor den anderen setzend, war sie bemüht, das Knarren der Dielen zu vermeiden.
    Erleichtert sah sie den alten Mann im Schein einer Gaslampe ein Buch lesen. In seiner Nähe konnte ihr eigentlich nichts mehr geschehen. Da knarrte die Treppe unter ihrem Tritt.
    Mister Piwi fuhr herum und sah sie verwundert an.
    Sie bedeutete ihm durch ein Zeichen, dass er schweigen möge und sie ihm etwas aufschreiben werde. Derweil legte sie den Zimmerschlüssel auf den Tresen.
    Stumm reichte ihr der Mann einen Federhalter und ein Stück Papier. Mit zitternden Fingern schrieb sie: Ich bin nicht freiwillig hier. Ich werde diesen Mann nicht heiraten. Bitte helfen Sie mir! Es soll so aussehen, als sei ich durchs Fenster geklettert und geflüchtet.
    Der Alte blickte sie über den Rand seiner Brille hinweg mitleidig an. In dem Moment wurden Schritte laut, verbunden mit lautem Fluchen. Keine Frage, das war Richard, der das offene Fenster bereits bemerkt haben musste.
    Mister Piwi sprang behände auf, öffnete eine Tür hinter sich und machte ihr durch eine Handbewegung begreiflich, dass sie sich in seiner Wohnung verstecken solle. Das ließ sich Selma nicht zweimal sagen. In Windeseile verschwand sie darin und zog gerade noch rechtzeitig die Tür hinter sich zu. Mit klopfendem Herzen verharrte sie dort. Da hörte sie Richard auch schon brüllen: »Wohin geht das Fenster aus dem Zimmer meiner Verlobten?«
    »Nach hinten, Richtung Hof«, antwortete der Alte mit Unschuldsstimme und deutete auf die Hintertür.
    Selma musste in ihrem Versteck unwillkürlich lächeln. Was für ein hilfsbereiter Kerl er doch war, dieser Mister Piwi!
    Richard brummelte etwas Unverständliches und polterte davon.
    Selma hielt den Atem an. Wenn ihr Schwager dem Alten nur nicht auf die Schliche kam! Am ganzen Körper bebend, ließ sie sich auf einen wackligen Stuhl fallen und betete in demselben Augenblick, dass er nicht ausgerechnet jetzt mit lautem Krach zusammenbrechen würde.
    Nach einer halben Ewigkeit hörte sie Richards Stimme erneut brüllen. »Das kann nicht sein! Die

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