Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
Mauern um den Hof sind viel zu hoch und das Tor fest verschlossen. Das offene Fenster ist bloß eine Finte. Sollten Sie meine Verlobte versteckt halten, dann Gnade Ihnen Gott!«
»Was fällt Ihnen ein, mein Herr? Zügeln Sie Ihr Mundwerk! Warum sollte ich mich wohl in Ihre Angelegenheiten mischen?«, erwiderte der Alte mit gespielter Entrüstung.
»Weil Sie das vorhin bereits getan haben. Sie haben sie nur allzu unmissverständlich davor gewarnt, mich zu heiraten. Und jetzt soll ich Ihnen glauben? Nein, mein Lieber, sie muss an Ihnen vorbei das Haus verlassen haben. Und wenn ich sie draußen nicht finde, werde ich das ganze Haus auf den Kopf stellen. Worauf Sie sich verlassen können!«
Dann war alles still. Selma aber traute sich immer noch nicht, normal zu atmen, bis die Tür aufging und Mister Piwi zögernd eintrat.
»Er ist weg. Kommen Sie schnell! Wir finden eine Lösung.«
Dann wandte er sich abrupt um, denn ein Gast trat auf die kleine Rezeption zu.
»Mister Wayne, einen wunderschönen guten Abend, ich habe das schönste Zimmer für Sie reserviert.« Der Alte reichte dem Gast den Schlüssel. Der aber starrte, statt ihn zu nehmen, Selma an, als habe er ein Gespenst gesehen.
»Wollen Sie mir die junge Dame gar nicht vorstellen, Mister Piwi?«, fragte der junge Mann, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte.
»Das ist Miss Parker, eine gerade vom Schiff gekommene junge Dame aus England, und das ist Mister Damon Wayne.«
Von draußen ertönte ein lautes Fluchen. »Jetzt weiß ich, was gespielt wird. Der Alte hat sie in seiner Wohnung versteckt! Verdammt noch mal!«
Selma wurde kalkweiß, während es in Mister Piwis Kopf fieberhaft arbeitete. In seiner Verzweiflung wandte er sich an den Gast.
»Mister Wayne, bitte, tun Sie mir einen Gefallen! Nehmen Sie die junge Dame mit auf Ihr Zimmer, und zwar schnell! Ich erkläre Ihnen alles später und ...«
Er unterbrach sich hastig und schob Selma dem Fremden geradewegs in den Arm. Nach einer Schrecksekunde schien auch Mister Wayne zu begreifen, dass er sich sputen musste, denn die hässlichen Flüche kamen immer näher.
»Bitte, helfen Sie mir!«, flehte Selma.
Da hatte Mister Wayne bereits nach Selmas Hand gegriffen. Mister Piwi atmete erleichtert auf, als die beiden gemeinsam die Treppe hinaufeilten - gerade noch rechtzeitig, bevor Richard um die Ecke bog.
Mit wutverzerrtem Gesicht und hochrotem Kopf stürzte er sich auf den Wirt, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn heftig.
Als Richard drohte, einen Blick in das Zimmer hinter der Rezeption zu werfen, grinste Mister Piwi in sich hinein. Er zierte sich noch ein wenig, bis er dem Verlangen des Engländers nachgab, und weidete sich an der Enttäuschung des Mannes, nachdem er vergeblich jeden Winkel der Wohnung nach der jungen Frau durchsucht hatte.
»Ich sagte Ihnen doch, ich habe die junge Dame nicht gesehen. Hier ist sie jedenfalls nicht vorbeigekommen. Das tut mir wirklich leid.« Mister Piwi gab sich ehrlich zerknirscht.
»Und wohin soll sie wohl mitten in der Nacht gelaufen sein? So ganz ohne finanzielle Mittel? Sie ist doch nicht lebensmüde und irrt in einer wildfremden Stadt umher. Was meinen Sie, was für ein Gesocks mit an Bord war!«
Nun konnte Mister Piwi seine wahren Gefühle nicht mehr verbergen. Abschätzig musterte er den Engländer. »Das ist wohl wahr. Mit den Auswandererschiffen kommt in letzter Zeit eine Menge Gesindel ins Land. Aber Sie entschuldigen mich. Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen. Die Dame wird ihre Gründe haben, sich bei Nacht und Nebel fortzustehlen. Vielleicht sollte ich die Polizei holen.«
Mister Piwi entging nicht, dass dem Engländer bei Erwähnung der Ordnungshüter jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Habe ich mir doch gedacht, dass der was auf dem Kerbholz hat, dachte er.
»Nein, schon gut, ich werde jetzt ein wenig schlafen und mich morgen auf die Suche nach ihr machen. Die kommt nicht weit. Wissen Sie, wir haben öfter Streit. Dabei lieben wir uns. Wahrscheinlich steht sie morgen weinend vor meiner Tür und bettelt, dass ich sie heirate.«
Mister Piwi zuckte unmerklich zusammen. Er musste den Kerl dazu bringen, noch eine Weile draußen nach ihr zu suchen, damit er die junge Frau inzwischen in Sicherheit bringen konnte. Er dachte an den Dachboden des Hauses. Schließlich konnte sie nicht die ganze Nacht bei Mister Wayne im Zimmer verbringen.
»Aber wollen Sie nicht lieber jetzt gleich nach ihr suchen? Ich meine, die Gegend ist
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