Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
so etwas ins Haus.«
Selma aber baute sich kämpferisch vor Misses Wayne auf.
»Ihr Sohn ist ein guter Mensch! Ich mag in Ihren Augen kränklich aussehen, aber ich bin kerngesund und kann für drei arbeiten, wenn es sein muss. Und ich stehe wenigstens dazu, dass ich aus Cornwall komme!«
Erst starrte Misses Wayne Selma völlig entgeistert an, dann schnappte sie nach Luft. »Adrian, bitte wirf sie hinaus, aber schnell!«
In diesem Augenblick kam Mama Maata hinzu.
»Was, was ist denn hier los?«, schimpfte sie, und sah prüfend zwischen Mister und Misses Wayne und Selma hin und her.
»Meine Frau meint, dass die junge Frau nicht die Richtige ist, um bei uns im Haus zu arbeiten«, erklärte Mister Wayne hilflos.
»Aber Missy, wie kommen Sie denn darauf? Dieses Mädchen ist jetzt bereits seit über einer Woche bei uns und arbeitet für drei. Sie ist gewissenhaft, sauber und aufrichtig«, sagte Mama Maata mit Nachdruck.
»Du hast doch bislang alle Mädchen abgelehnt. Warum nicht dieses?«
»Weil sie die Beste ist.«
»Ich will sie aber nicht!«
Selma beobachtete das Geplänkel inzwischen wie eine völlig Unbeteiligte. Sie hatte mit der Stellung im Hause Wayne bereits innerlich abgeschlossen. Ich besitze zwar nicht viel, um nicht zu sagen gar nichts, schoss es ihr durch den Kopf, aber meinen Stolz kann mir niemand nehmen. Sie wartete eigentlich nur noch darauf, dass Misses Wayne trotzig mit dem Fuß aufstampfte.
»Missy, aber ich will sie behalten!«
Wie zwei Kampfhennen standen sich Misses Wayne und Mama Maata inzwischen gegenüber.
»Ida, sei doch vernünftig, das Mädchen ist aus Cornwall«, mischte sich nun Mister Wayne ein.
»Na und?«, zischte seine Frau zurück.
Mama Maata hatte ihre Hände in die Hüften gestemmt. »Missy, wenn Sie mir nicht zutrauen, ein Mädchen einzustellen, das mir in meinem Alter eine echte Stütze ist, dann muss ich Sie leider verlassen. Ich habe genug gespart, und meine Familie würde sich freuen, wenn ich endlich nach Hause käme und mich von ihr verwöhnen ließe. Die schätzen ihre Alten im Dorf. Da werde ich besser behandelt als hier!«
»Mama Maata, tu mir das nicht an!«, schrie Misses Wayne hysterisch auf.
»Mama Maata, ohne dich sind wir aufgeschmissen. Ida, nun gib dir einen Ruck. Maata weiß schon, wen sie einstellt«, pflichtete Mister Wayne der Maori bei.
Stöhnend ließ sich die Dame des Hauses auf einen Stuhl fallen. »Gut, Maata, wenn du dieses Mädchen wirklich haben willst, dann werde ich es mir noch einmal durch den Kopf gehen lassen ...«
Langsam wachte Selma aus ihrer Erstarrung auf. Sie war keine bloße Beobachterin mehr. Es ging hier um sie und ihr Schicksal. Und eines wusste sie genau: Sie würde sich nicht weiterhin ungestraft von dieser Frau beleidigen lassen. Und wenn ihr Stolz das Einzige war, das sie aus diesem Haus mitnahm.
»Machen Sie sich keine Mühe, Misses Wayne, ich gehe freiwillig.«
Dann wandte sie sich an Mama Maata und raunte: »Mit Ihnen zu arbeiten war das Schönste, was ich jemals erlebt habe«, bevor sie hocherhobenen Hauptes das Zimmer verließ.
Im Flur stieß Selma mit Damon zusammen, der erschrocken ausrief: »Was um Himmels willen ist denn mit Ihnen geschehen? Sie sehen aus wie ein Geist!«
»Auf Wiedersehen, Mister Wayne, und danke für alles!«
Geschockt suchte er noch nach den richtigen Worten, doch da war sie schon wie der Blitz nach oben in ihr Zimmer gerannt, um ihre wenigen Habseligkeiten zu packen.
Dunedin, 12. Februar 2009
Suzan hatte Grace in ein indisches Restaurant in der George Street eingeladen, nachdem sie ihre Sachen aus dem Hotel geholt hatten.
»Was hätten Sie denn gern?«, fragte der Kellner, und wie aus einem Mund antworteten die beiden Frauen: »Chicken Korma!«
Sie sahen einander verwundert an, bevor sie in lautes Gekicher ausbrachen.
»Also, für jede von Ihnen eins?« Der junge Inder grinste.
Suzan und Grace nickten kichernd.
»Wahlverwandtschaften sind doch in der Regel viel stabiler als Blutsverwandtschaften«, sagte Grace lachend. »Wissen Sie was? Ich adoptiere Sie als meine neuseeländische Familie.«
Suzans eben noch fröhliches Lachen gefror zu einer Maske.
Grace erschrak angesichts dieser unheimlichen Verwandlung. In diesem Augenblick dominierte die Narbe das Äußere der Professorin. Sie wirkte auf Grace plötzlich wie eine durch und durch verbitterte Frau, die mit dem Schicksal haderte für das, was es ihr angetan hatte.
Grace musste kurzzeitig den Blick abwenden. Als sie
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