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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Nuhr
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Schmidt und Lady Gaga haben angeblich von Kindesbeinen an auf Nikotin verzichtet, allerdings fast ausschließlich während sie schliefen, Schmidt sogar selbst dann nur widerwillig. Es macht eben den großen Charakter aus, dass er es schafft, der Sucht zu widerstehen. Er hört einfach auf mit der Qualmerei, und wenn es nur für fünf Minuten ist. Immer wieder sieht man große Geister ohne Zigarette, selten, aber immerhin! Meist suchen sie dann nach einer neuen Packung, nesteln in ihren Mänteln oder Taschen, in der Gewissheit, noch ein paar Kippen zu besitzen, die sie aber in Wirklichkeit schon vor Stunden weggequarzt haben.
    Menschen sind süchtig, nach Qualm, Glücksspiel oder Nasenspray. Unser „Bewusstsein“, das eine Art innerer Herrschaft für sich in Anspruch nimmt, ist offenbar nur ein repräsentativer Herrscher, eine Art König ohne weitere Befugnisse, während die Triebe ihre Gewaltherrschaft verrichten, rauchen, Schokolade fressen und am Automaten spielen. Wie konnte sich so etwas in der Evolution durchsetzen? Keine Ahnung.
    Spielsucht ist unter Weichtieren wenig verbreitet. Sind sie deshalb schlauer? Nein. Aber vielleicht besser organisiert. Tintenfische haben ein hochentwickeltes Gehirn und drei Herzen. Sie existieren seit Ende des Kambriums, sind also erheblich älter als Jesus Christus, aber ebenfalls Nichtraucher, obwohl ihnen selbst exzessives, tiefes Inhalieren kaum schaden würde. Sie haben keine Lunge, die geschädigt werden könnte, und würden selbst nach zwei Herzinfarkten noch über eine gesunde Ersatzpumpe verfügen. Sorgen sich Tintenfische um ihre Gesundheit? Wenigstens mühen sie sich nicht, einen geistigen Schein um ihr vom bloßen Überlebenswillen getriebenes Sein zu konstruieren.
    Ich liege im Bett und lasse einen wirren Strom von Assoziationen über mich ergehen. Im Bottich meiner Erinnerungen steigen die Bilder der letzten Tage nach oben. Ein Foto von einem Pinscher erscheint in meinen Gedanken, darunter eine Nachricht: „Jedes Jahr treffen sich zahlreiche Menschen, um den ,hässlichsten Hund der Welt‘ zu wählen.“ Weshalb? Gibt es in der eigenen Art nicht genügend abstoßende Exemplare?
    Statistisch gesehen besteht das Leben zu 98 Prozent aus Ungewissheit. Der Rest ist Stoffwechsel.
    Aus Fragen werden Antworten, die neue Fragen generieren. Fakten bilden Gebirge aus Informationen: Jesus lebte nicht vegetarisch und hatte, wenn man Größe und Umfang aus mehr als 500 Gemälden alter Meister hochrechnet, einen BMI von 19, also leichtes Untergewicht. Lady Gaga dagegen trug Kleider aus Fleischlappen und hatte mit 21 einen Ruhepuls von 62. Zum Leistungssportler bringt man es damit nicht, außer beim Schach oder im Tor.
    Stimmt das überhaupt? In diesen Zeiten kann man nicht mehr einfach irgendetwas erfinden. Heute trägt jeder einen Internetzugang mit sich herum, Google inklusive. Behauptungen werden heute nicht mehr einfach akzeptiert, sondern vor Ort online überprüft. Falsche Aussagen führen zur sofortigen sozialen Häme. Noch in der Kneipewird vor versammelter Mannschaft festgestellt: Schmidt rauchte zeitweise Mentholzigaretten, oft zwei auf einmal, bei einem Ruhepuls von 198, aber sehr entspannt! Am Ende stehen alle zusammen, glotzen auf ihre Smartphones und stellen gemeinsam fest: Das Internet weiß auch nicht alles, aber immerhin hat man herausgefunden, in welcher Straße Scarlett Johansson wohnt. Auch nicht schlecht.
    Ich merke, dass der gestrige Abend meine Gedanken beherrscht. Ein Treffen in der Kneipe, der übliche Verlauf. Floskelhafte Unterhaltung, dann App-Vergleich, downloaden, ausprobieren. Alle Anwesenden starren auf ihre Displays. Was wäre das Leben ohne Wasserwaage im Telefon? Wie hat man in der Urzeit gelebt ohne QR-Codescanner im Handy? Wie konnte man Bier trinken ohne Bier-App, die das iPhone zum Kölschglas werden lässt? In der Seitenansicht bildet der gelbe Pegel neigungstechnisch exakt den Horizont ab. Das virtuelle Bier ist der Schwerkraft angepasst, dank dreidimensionalem Bewegungssensor, ein Triumph der menschlichen Erfindungskraft. Es gluckert sogar. Wird es auch schal? Abwarten!
    Das Leben muss so leer gewesen sein, damals in der guten alten Zeit. Kein Wunder, dass man freiwillig in den Krieg zog. Wahrscheinlich sagten sich die Menschen: „Die Erfindung des iPhones werden wir ohnehin nicht mehr erleben. Lasst uns Osteuropa überfallen.“ So nahm das Schicksal seinen Lauf. Schwarzweißbilder machen sich breit in meinem Kopf: regendurchnässte

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