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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Nuhr
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China ist alles komplizierter. „Xinmin Wanbao“ schreibt „
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“. In Shanghai bringt man die Dinge eben gerne auf den Punkt.
    Interessant ist, dass Europa in chinesischen Zeitungen faktisch gar nicht mehr vorkommt, außer im Zusammenhang mit Berichten über den Niedergang der Alten Welt. Kopfschüttelnd nimmt man dort zur Kenntnis, dass sich die Menschen in der Demokratie ihrer Wohlstandsgrundlage berauben, indem sie jeden Trottel über Sachverhalte abstimmen lassen, die er gar nicht überblicken kann.
    Der Demokrat, so denkt der Chinese, betrachtet den Staat als Fürsorgeanstalt. In Asien versteht man die Zentralmacht als militärische Absicherung der ökonomischen Prozesse. Man freut sich über enorme Wachstumsraten und arbeitet in 180 Meter Höhe ungesichert auf Bambusgerüsten. Dann fällt man hinunter und wird durch zahllos nachwachsende Arbeitskräfte ersetzt. Man möchte dem Asiaten an dieser Stelle entgegnen, dass auch sein Gesellschaftssystem, das den Menschen als Verbrauchsware betrachtet, nicht ausschließlich erfreulich ist, ethisch gesehen.
    Leider richtet sich die Weltgeschichte nicht nach ethischen Gesichtspunkten. Es ist wie beim Fußball: Nicht wer am schönsten spielt, gewinnt, sondern wer die meistenTore schießt. Und kein Mensch fordert deshalb die Einführung von Haltungsnoten in der Champions League.
    Wir Deutsche werden gemeinhin als Romantiker verspottet, weil wir den Gang der Dinge stets moralisch statt ökonomisch beurteilen. Wir bedauern den Sieg derer, die egozentrischer sind als wir, weil wir uns ihnen moralisch überlegen fühlen. Wir sind wie die Mäuse, die davon überzeugt sind, den Katzen ethisch voraus zu sein.
    „Clarín“ aus Argentinien schreibt: „Un tema doloroso y preocupante: el hambre y la desnutrición.“ Mangelernährung wird in Staaten, deren Wirtschaft zusammengebrochen ist, häufig zum Problem. In Mitteleuropa sind diese Dinge nur deshalb noch kein Thema, weil ihr letztmaliges Auftreten 80 Jahre her ist und sich die Bevölkerung einen wirklich dramatischen Wandel ihres Lebensstandards gar nicht mehr vorstellen kann. Der Deutsche glaubt an ein Grundrecht auf ein angenehmes Leben. Ich unterstütze das! Jeder soll es gut haben! Man muss auch gönnen können! Leider lässt sich dieses Recht nirgendwo einklagen, in Deutschland nicht, in China ebenso wenig, erst recht nicht in Bulgarien oder Argentinien.
    Oder in Afghanistan. Man kann es natürlich versuchen. Man reicht Klage am Gerichtshof in Kabul ein, weil man feststellen musste, dass die letzten Jahre irgendwie vom Lebensstandard her nicht den Erwartungen entsprachen. Man sollte allerdings bedenken, dass man in Afghanistan zum Gerichtstermin persönlich erscheinen muss. Das ist ein Nachteil! Vielleicht bekommt man Recht vor Gericht, ist aber bereits am Tag vor der Urteilssprechung von Justizkräften oder freiberuflich arbeitenden Exekutoren geköpft worden. Oder gehängt. Erschossen. Gesprengt.In Afghanistan unterliegt die Rechtsprechung außerhalb der Gerichte der individuellen religiösen Empfindung. Es gibt zwar eine offizielle Justiz, aber die meisten Hinrichtungen finden auf privater Ebene statt. Man muss dort immer damit rechnen, dass man Personen begegnet, die sich selbst für Richter und Henker in einer Person halten – und dementsprechend handeln.
    Es ist vielleicht einer der schönsten Fortschritte in der Entwicklung unserer Zivilisation, dass körperliche Gewalt in unserem Justizwesen keine Rolle mehr spielt, zumindest nicht offiziell. Inoffiziell sollte man längere Gefängnisaufenthalte schon deshalb meiden, weil die Mitinsassen oft ein ziemlich lockeres Verhältnis zum Recht auf körperliche Unversehrtheit haben. Zumindest sollte man in der Strafanstalt immer mit dem Rücken zur Wand stehen, es sei denn, man verfügt über einen exzellent definierten Schließmuskel.
    11 00
Nachrichten im Radio. Dann Verkehrshinweis. Stau! Na sowas!
    11 04
Ein Besoffener hat es in das morgendliche Magazin des Lokalradios geschafft, weil er aus dem vierten Stock gefallen ist, ohne sich auch nur einen einzigen Knochen zu brechen. Wie kann das sein? Sein Sturz wurde offenbar erst von einem Baum und dann von einer Markise gebremst. Herzlichen Glückwunsch, nicht nur ihm, sondern auch dem Lokalradio! Wäre er ungebremst auf dem Bürgersteig aufgeschlagen, hätte man ihnnicht mehr interviewen können. Alle sind glücklich. Das ist schön, denn es ist bei uns nicht die Regel.
    Woanders muss man nicht aus dem

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