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Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des perfekten Tages (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Nuhr
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aus einer edlen humanitären Empfindung heraus, die sie ausschließlich todgeweihte alleinstehende gutbetuchte Herren betreuen ließ, die ihr ab und zu auch etwas hinterließen, selbstverständlich zur großen Überraschung meiner Tante, die sich allerdings immer schon im Voraus über die finanzielle Lage der Siechenden informiert hatte! Und die Alten starben erstaunlich regelmäßig und flott an Herzversagen. So vorausschauend ist nur echter Adel!
     
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Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Sind wir edel oder armselig, Patrizier oder Plebejer, Proleten oder Bourgeois?
    Stammen wir nicht alle angeblich von Karl dem Großen ab? Das stimmt! Wir wissen, dass Karl der Große viele Nachkommen hatte. Nehmen wir nun an, es habe seitdem 40 Generationen gegeben, dann ergibt das nach 40 Vervielfältigungen rechnerisch eine so hohe Anzahl von Nachfahren, dass davon auszugehen ist, dass zumindest jeder Mitteleuropäer in seiner ewigen Vorfahrenreihe auf mindestens einen anderen trifft, der einen Bruder hat, dessen Vetter eine mit Karl dem Großen über sechs Ecken entfernte Verwandtschaft aufweist. Nicht einmal meine Tante aber wäre so vermessen gewesen, daraus Erbschaftsansprüche geltend zu machen, auf den Dom von Aachen vielleicht oder die Lombardei.
    Am Ende sind wir alle auch Nachfahren derer, die einst ganz behaart auf den Bäumen wohnten. Wir sollten uns deshalb vor Hochmut schützen. Schon damals gab es wahrscheinlich Affen, die von den Bäumen stiegen, damit prahlten, auf zwei Beinen laufen zu können, und sich deshalb zur Herrenrasse proklamierten. Wenn man in der menschlichen Geschichte herumwühlt, sollte man nicht auf edle Funde hoffen, sondern eher auf die Offenbarung einer scheinbar ewigen Primitivität.
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Der Kühlschrank piept. Was will er? Er verlangt nach Schließung seiner Tür. Jemand hat ihn einen Spalt breit offen gelassen, das macht ihm zu schaffen. Das Wesen des Kühlschrankesist es nämlich, zu kühlen, aber dazu ist er ausschließlich dann in der Lage, wenn er geschlossen ist. Nun ja. So ist es halt. Er kann es nun einmal nicht besser. Statt nun aber kleinlaut nach Hilfe zu piepen, klagt er lautstark und unmissverständlich zur Eile mahnend. Sein nerviges Gezeter duldet keinen Widerspruch.
    Technische Geräte fordern immer unverhohlener, dass sich der Mensch um sie kümmert, weil er sich per Kauf verpflichtet hat, die Grundbedingungen, die zum reibungslosen Betrieb unbedingt eingehalten werden müssen, zu erfüllen. Der Kühlschrank hat offenbar ein grundgesetzlich verbrieftes Recht auf regelmäßige Schließung, so wie das Auto nicht mehr zulässt, dass sich sein Fahrer ohne Gurt in den Straßenverkehr begibt. Es piept.
    Es übt damit eine der chinesischen Tropfenfolter nicht unähnliche Methode aus, seinen Willen durchzusetzen. Wahrscheinlich werden bald auch die Klappräder piepen, die spüren, dass sich ihr Fahrer ohne Kopfschutz auf sie schwingt. Ich warte auf die Kaffeetasse, die durch periodisch abgesonderte Geräusche darauf verweist, dass Heißgetränke eine nicht von der Hand zu weisende Verbrühungsgefahr mit sich bringen.
    Ich warte auf den piependen Hammer, der durch sein wiederkehrendes Geräusch darauf hinweist, dass bei Nichttreffen des Nagels Verletzungsgefahr für den Daumen besteht.
    Irgendwann wird es Särge geben, die durch Piepen darauf aufmerksam machen, dass Scheintote durch das Zuschütten der Grube in ihrer Atmung beeinträchtigt werden könnten. Und dass man beim Herablassen des Sarges darauf achten soll, dass alle Friedhofsmitarbeiter das frisch ausgehobene Loch verlassen haben.
    Piep, piep, piep. Padumm, padumm … Mein Freund vor der Tür hat nach einer fast achtstündigen Mittagspause beschlossen, noch ein bisschen zu verdichten. Er stammt wahrscheinlich ebenso wie ich von Karl dem Großen ab, ist sich aber nicht zu fein für praktische Tätigkeiten. Die Behaarung meines entfernten Verwandten da draußen, die ich vom Balkon aus über größere Entfernung unschwer sehen kann, lässt mich an noch weiter vorn in der Evolution liegende gemeinsame Vorfahren denken. Ich assoziiere ein haariges Rudel, das von Ast zu Ast springt, während der Größte von allen unten auf dem Boden der Savanne mit einem schweren Stein einen Weg planiert und von Touristen faselt, die irgendwann einmal in später Zukunft mit dem Geländewagen hier entlangfahren werden. Padumm, padumm … Das Rudel verlässt ihn, denn er ist ganz offensichtlich geistesgestört.
    Jetzt erkenne ich, dass auch

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