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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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›Ich versuche zu helfen, so gut ich kann. Leider sind mir die Hände gebunden. Das Gesetz meines Landes verbietet mir, kranke Personen mit über die Grenze zu nehmen, doch man hat mir erlaubt, gesunde Kinder aus dem Lager herauszubringen. In meinem Haus können sie ein gesundes, vor Ansteckung sicheres Leben führen. Möchtest du das?‹
    ›Liegt Euer Haus im Westen?‹, fragte ich.
    ›Von hier aus gesehen schon. Warum fragst du?‹
    ›Ich hab gehört, im Westen wär’s schön‹, log ich etwas fadenscheinig. Doch Clarisse war zufrieden.
    Mit einem Messerchen brachte sie mir einen winzigen Schnitt bei und entnahm einen Blutstropfen. Dieser Tropfen, so erklärte sie mir, verrate ihr, ob ich die Seuche trug oder nicht.
    Während sie im Wagen ihre Untersuchung durchführte, machte ich meine eigenen Pläne. Natürlich hatte ich nicht vor, in Clarisses Haus zu bleiben. Aber mit ihrer Hilfe kämen Robert und ich aus dem Lager heraus und könnten in einer Kutsche bequem weiter nach Westen reisen. Robert würde sich erholen. Wenn er stark genug wäre, würden wir uns davonmachen, ganz einfach.
    Clarisse trat aus der Kutsche heraus und strahlte übers ganze Gesicht. ›Wunderbar!‹, rief sie begeistert. ›Dein Blut ist wunderbar!‹
    Ich hatte nichts anderes erwartet.
    ›Bring deinen Bruder!‹, befahl sie.
    ›Er kann nicht laufen, er hat hohes Fieber!‹, entgegnete ich.
    In einiger Entfernung standen zwei Männer und beobachteten neugierig das Geschehen.
    ›He, ihr da!‹, rief Clarisse. ›Geht zum Zelt dieses Mädchens und bringt mir ihren Bruder!‹ Und die beiden gehorchten ihr. Das war noch so etwas, das Clarisse auszeichnete: Sie befahl und die meisten Menschen gehorchten. Diese beiden Männer bildeten keine Ausnahme. Widerspruchslos begleiteten sie mich zu unserem Zelt, legten Robert auf die Decke und trugen ihn sanft schaukelnd zu Clarisses Wagen. Ich hielt seine Hand.
    ›Wir kommen hier raus‹, sagte ich. ›Die Hexe nimmt uns in ihrem Wagen mit.‹ Robert lächelte. Allein schon die Vorstellung, aus diesem schrecklichen Lager fortzukommen, bewirkte, dass es ihm besser ging.
    Clarisse machte ihren Test mit ihm und wieder strahlte sie vor Begeisterung. ›Es ist gut!‹, rief sie. ›Dein Blut ist so gut wie das deiner Schwester! Ab in den Wagen mit euch, meine Lieben. Je eher wir aufbrechen, desto eher sind wir da!‹
    ›Ist denn sonst überhaupt kein Kind gesund?‹, fragte ich verblüfft.
    ›Leider nein.‹ Bedauernd zog sie die Schultern hoch.
    Das war schwer zu glauben. So viele Menschen lebten in dem Lager, bestimmt viele Hundert und sicher über hundert Kinder, von denen die meisten ganz fröhlich herumliefen, fröhlicher jedenfalls als Robert und ich. Nicht zu fassen, dass sie allesamt infiziert und wahrscheinlich schon in wenigen Tagen tot sein sollten. Log sie? War Clarisse eine Lügnerin?
    Sie saß draußen auf dem Kutschbock und ließ die Pferde anziehen. Der Wagen rollte durch das Lager, rumpelte über die Brücke auf die Sperre der Soldaten zu und durfte anstandslos passieren. Das war ein wunderbares Gefühl, doch mein Misstrauen gegenüber Clarisse blieb.
    ›Beim ersten Halt machen wir uns davon!‹, raunte ich Robert zu. Er nickte. Clarisse hatte ihm einen Saft eingeflößt, der sehr schnell wirkte, sein Fieber sank, seine Augen wurden klar. Sein Verstand war es schon. ›Sie lügt‹, flüsterte er. ›Sie ist böse!‹ Robert war ein Kind, das viel wusste. Er war ein wenig wie Lulu.
    Wir fassten uns bei den Händen, bereit, bei der ersten Gelegenheit aus dem Wagen zu springen und davonzurennen, doch wir waren noch nie mit einer Hexe gereist. Als wir aufwachten, fiel graues Morgenlicht durch das Kutschenfenster und ein wunderbarer, süßer Duft wehte herein. Verstört rieben wir uns die Augen. Wie es schien, waren wir einen halben Tag und eine ganze Nacht lang gefahren und hatten die Zeit verschlafen.
    ›Wir sind angekommen, meine Lieben!‹, rief Clarisse fröhlich vom Kutschbock. ›Willkommen im Rosenhaus!‹«
    »Willkommen im Rosenhaus!«, raunte der Chor.
    »Wir schauten zum Fenster hinaus. Was wir sahen, nahm uns für einen Moment den Atem. Es war noch sehr früh, die Sonne wollte gerade erst aufgehen. Wir fuhren über einen Weg, der zwischen zwei Feldern verlief. Und so weit man schauen konnte, blühten Rosen, ein Meer von Rot. Obwohl das Licht noch grau war, funkelten sie prächtiger als Rubine. Es ist viel über Clarisse geschrieben und erzählt worden, viel Unsinn. Doch

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