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Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman

Titel: Das Geheimnis des Rosenhauses - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette John
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warnen. Also klemmte ich mir Bumbum unter den Arm und machte mich an den Abstieg. Doch ich hatte meinem verletzten Knöchel zu viel zugemutet. Als ich mein Gewicht ganz auf ihn verlagerte, gab mein Bein einfach nach und wir stürzten. Zum Glück war es nicht tief, und zum Glück landete Bumbum weich auf mir drauf, aber ich verlor das Bewusstsein, nicht plötzlich, eher so nach und nach. Ich hatte noch Zeit, Bumbums Hosenträger um meinen Gürtel zu schlingen.
    Als ich wieder zu mir kam, blinzelte ich in Laternenlicht und ein paar von denen da standen um mich rum.« Er zeigte in die Runde der Rattenkinder. Die johlten und grölten und reckten die Fäuste zur Siegerpose in die Höhe. Damiano lehnte sich bequem zurück an die Höhlenwand und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sein Teil der Erzählung war offensichtlich abgeschlossen.
    Einer der Jungen stieg auf eine Kiste. »Wir haben die drei gefunden!«, rief er und fuchtelte mit den Armen wie der Dirigent einer Zirkuskapelle. »Den Mann, den Kleinen und die komische Ratte!«
    »Den Mann, den Kleinen und die komische Ratte!«, johlte der Chor.
    »Der Mann hat geschlafen. Der Kleine hat ›Bumbum‹ gesagt. Er hat uns Karamellbonbons gegeben. Wir haben ihm Wasser und Brot gegeben, das hat er mit der Ratte geteilt. Doch die wollte erst fressen, als er ihr Wasser zum Waschen gegeben hat. Der Kanal war ihr zu dreckig.«
    »Der Kanal war ihr zu dreckig!«, schrien die Kinder und wollten sich ausschütten vor Lachen.
    »Der Mann ist aufgewacht und hat gesagt, dass er aus dem Felsenkerker abgehauen ist. Da haben wir ihm geholfen. Wir haben die drei in unser Versteck gebracht. Alle suchen die drei. Die Soldaten und die anderen. Aber bei uns sind sie in Sicherheit. Der Mann, der Kleine und die komische Ratte!«
    »Der Mann, der Kleine und die komische Ratte!«, schrie der Chor. Aus dem Refrain wurde ein Gesang und aus dem Gesang ein wilder Tanz.
    Die Mädchen sahen dem Treiben eine Weile geduldig zu und warteten auf die Fortsetzung oder wenigstens auf ein paar Erläuterungen, doch für die Rattenkinder schien alles gesagt. Sie tanzten durch die Höhle, ließen ihre Flasche kreisen und immer öfter scherte eines aus dem wilden Kreis aus und rollte sich irgendwo zum Schlafen ein.
    »Und dann?«, fragte Wanda wütend. »Wie ist es weitergegangen? Warum hast du dich nicht gemeldet, als du gemerkt hast, dass Bumbum so verzweifelt gesucht wird? Du musst das doch mitgekriegt haben! Und wo sind Bumbum und der komische Ralf plötzlich hergekommen? Du wirst dich doch jetzt nicht schlafen legen und uns mit unseren Fragen hier sitzen lassen.«
    Damiano gähnte. Wanda schwang drohend ein abgenagtes Rattenbein. »Jetzt hab ich aber Angst«, sagte Damiano, doch er setzte sich wieder auf und fuhr fort: »Als ich die Kinder überzeugt hatte, dass ich trotz des Umhangs, den ich trug, kein Gefängniswärter war, sondern ihn lediglich zur Flucht benutzt hatte, waren sie bereit, uns zu helfen, und schafften uns hierher. Nicht aus Herzensgüte übrigens, sondern weil Ralf sie zum Lachen bringt. Sie haben nicht viel zu lachen. Sie haben überhaupt nicht viel. Ich glaube, sie wissen nicht einmal, dass es außer Ratten noch andere Tiere gibt. Für sie ist alles, was Pelz trägt, Ratte. Irgendjemand, ich habe noch nicht herausgefunden, wer, stellt ihnen jeden Tag einen Korb mit Trinkwasser und Essen an einen verabredeten Platz. Es ist nicht gerade üppig, aber ausreichend. Sie ergänzen ihre Nahrung mit Rattenfleisch und haben alles immer brüderlich mit uns geteilt. Wir revanchieren uns für ihre Gastfreundschaft mit Unterhaltung. Ralf und Bumbum sind, wie sie sind, und ich erzähle meine Geschichte. Sie lieben diese Geschichte und werden nie müde, sie anzuhören, immer und immer wieder. Mir wird es, ehrlich gesagt, manchmal ein bisschen viel. Ich muss immer dieselben Worte und Redewendungen benutzen, sonst verpassen sie die Einsätze für ihren Chor. Aber«, er gähnte wieder, »es war keine schlechte Zeit hier. Meinem Fuß geht es besser, ich krieg ihn schon wieder in den Stiefel rein. Fast jedenfalls.«
    Zum Beweis reckte er ein Bein in die Höhe. Der Stiefel war seitlich aufgeschlitzt und über dem Knöchel hatte sich eine Geschwulst gebildet. »Was wollten gnädige Frau sonst noch wissen? Ach ja, warum ich Bumbum nicht freudestrahlend ausgeliefert habe, als die Kinder mir erzählten, dass jemand eine größere Summe für seine Ergreifung ausgesetzt hat. Also du kannst Fragen stellen!«

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