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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Einzelheiten geliefert wurden, schmückte ich es selber aus. »Er ist faul, er säuft, ist nutzlos, vergisst, wo er sein sollte, und enttäuscht die Leute dauernd …«
    »Ach, Sie kennen ihn?«, unterbrach Mutatus erstaunt.
    »Nein.« Ich kannte viele wie ihn. Vor allem Scriptoren. »Meine Aufgabe wäre also, nach Ostia zu reisen, den munteren Diocles zu finden, ihn nüchtern zu machen, falls er mich lässt, und ihn dann hierher zurückzubringen?« Die beiden Scriptoren nickten. Sie wirkten erleichtert. Ich hatte auf meine Notiztafel geschaut, jetzt blickte ich auf. »Ist er in Schwierigkeiten?«
    »Nein.« Holconius ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
    »In irgendwelchen Schwierigkeiten?«, fragte ich noch mal. »Bei der Arbeit, bei etwas, das mit der Arbeit zu tun hat, Frauenprobleme, Geldprobleme, Gesundheitsprobleme?«
    »Nicht, dass wir wüssten.«
    Ich erwog die Möglichkeiten. »Arbeitete er an einer bestimmten Geschichte?«
    »Nein, Falco.« Ich schätzte, dass mir Holconius einen Bären aufband. Kein Wunder, sein Resort war Politik. Holconius war, wie ich wusste, »Noten-Scriptor« im Senat, notierte also in tironischer Kurzschrift all die Unwahrheiten, die dort verbreitet wurden. Mutatus listete nur die monatlichen Programme für die Spiele auf. Er konnte mühelos die dämlichsten Ungenauigkeiten produzieren, war aber schwächer bei direkten Lügen.
    »Und für welches Resort des Anzeigers liefert Diocles normalerweise seine Beiträge?«
    »Spielt das eine Rolle?«, fragte Mutatus rasch.
    Daraus schloss ich, dass es bedeutungsvoll war, sagte aber liebenswürdig: »Wahrscheinlich nicht.«
    »Wir wollen wirklich helfen.« Widerstreben erfüllte seine Stimme.
    »Ich wäre gerne umfassend informiert.« Unschuldiger Charme erfüllte die meine.
    »Diocles schreibt über die unbeschwerteren Themen«, erklärte Holconius. Er wirkte noch düsterer als zuvor. Als der Berichterstatter für Edikte missbilligte er alles Unbeschwerte.
    Ich merkte, dass Holconius und Mutatus vor meiner Ankunft ein ausführliches Gespräch darüber geführt hatten, wie viel sie mir verraten wollten. Daraus zog ich meine Schlüsse. »Ihr Verschwundener verfasst also die Schock-und-Horror-Gesellschaftsnachrichten?«
    Die beiden Scriptoren blickten resigniert. »›Infamia‹ ist das Pseudonym von Diocles«, gestand Holconius.
    Schon bevor sie das zugaben, wollte ich den Auftrag haben.

V
    D ie erste Woche meiner Ermittlungen in Ostia hatte ich langsam angehen lassen. Am Morgen nach Helenas Ankunft berichtete ich ihr von meinen mangelnden Fortschritten.
    »Wenn Diocles’ Vermieterin seine echte Tante ist, dann bin ich das Hinterbein eines syrischen Kamels.«
    Helena und ich saßen auf einem Ballen in der Nähe einer Fähre, die Arbeiter zwischen der Stadt und dem neuen Hafen hin und her beförderte, und aßen frisches Brot und Feigen. Wir waren recht früh aufgestanden. Es war unterhaltsam, den Strom der Schauerleute, Negotiatoren, Zollbeamten und Langfinger zu beobachten, die zu ihrer Morgenarbeit im Hafen fuhren. Schließlich kam eine ganze Gruppe frisch gelandeter Kaufleute mit der Fähre herüber, zusammen mit anderen Ausländern in unterschiedlichsten Farbschattierungen, alle mit verwirrtem Blick. Die Kaufleute, die sich besser auskannten, stürmten sofort zu den Miet-Mulis. Nachdem die anderen Reisenden festgestellt hatten, dass für sie keine Transportmöglichkeiten mehr zur Verfügung standen, irrten sie ziellos umher. Einige wollten von uns den Weg nach Rom wissen, wovon wir vorgaben, nie gehört zu haben. Wenn sie beharrlich blieben, wiesen wir sie auf die Straße hin, die sie nehmen mussten, und versicherten ihnen, dass man den Weg gut zu Fuß zurücklegen konnte.
    »Du bist kindisch, Marcus.«
    »Ich bin auch schon von grässlichen Einheimischen in fremden Ländern auf fünfzehn Meilen lange Wanderungen geschickt worden.« Selbst Straßenfeger in Rom hatten mich absichtlich in die Irre geführt. »Du hast als Erste dran gedacht.«
    »Hoffentlich sehen wir sie nie wieder.«
    »Mach dir keine Sorgen. Ich werde dann behaupten, du seist eine Senatorentochter, die in Unwissenheit und Luxus groß geworden ist und keine Ahnung von Entfernungen, Richtungen oder Zeit hat.«
    »Und ich werde sagen, dass du ein Schwein bist.«
    »Oink.«
    Zu unserer Ferienwohnung gehörte weder Frühstück noch ein Sklave, um es zu servieren. Sie verfügte über einen Eimer für den Brunnen und zwei leere Öllampen, aber nicht mal über eine einzige

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