Das Geheimnis des Scriptors
irgendwelche Hinweise?« Junia brüstete sich damit, den richtigen Jargon zu kennen.
»Frag Gaius, ob er je von jemandem namens Damagoras gehört hat«, wies Helena sie an, noch knapper als sonst.
»Den kennt er garantiert. Dein Fall ist bereits gelöst.«
Wenn es einen Menschen gab, der mich bestimmt nicht mit Informationen versorgen würde, dann war das Gaius Baebius.
Ihr Sohn wurde quengelig. Daher gelang es uns, meine Schwester loszuwerden. Kurz darauf traf Petronius mit dem dringenden Bedürfnis ein, sich darüber aufzuregen, dass Junia sich bei ihm und Maia einquartiert hatte.
»Man kann von Privatus nicht erwarten, dass er deine ganze verdammte Familie aufnimmt, Falco! Ich kann die Frau nicht ausstehen …« Als er sich beruhigt hatte, bat ich ihn, nachzuprüfen, ob es einen Damagoras auf einer der Listen der Vigiles gab. »Wir führen keine Listen«, beharrte er.
»Red doch kein Blech, Petro. Ihr habt Listen von Prostituierten, Schauspielern, Mathematikern, religiösen Fanatikern, Astrologen – und Privatermittlern! « Letzteres sagten wir alle im Chor, ein alter Witz. Nicht so witzig, wenn man seinen eigenen Namen auf diesen Listen vermutete. Wie es bei meinem zweifellos der Fall war.
»Du suchst also nach einem predigenden Astrologen, der seinen Körper vermietet und in Tragödien auftritt, Falco?«
»Ich weiß nicht, wonach ich suche, und das ist die beschissene Wahrheit.«
»Sollte leicht zu finden sein.«
»Jetzt hört doch auf«, beruhigte uns Helena sanft, während sie Schalen fürs Mittagessen vor uns stellte. »Junia wird Gaius Baebius bitten, dir zu helfen, wodurch alles in Ordnung kommen wird.« Petronius starrte sie einen Augenblick lang an, als nähme er ihr das fast ab.
»Am Arsch! Ich kann es nicht erwarten, sie loszuwerden.« Petronius mochte zwar mit meiner jüngsten Schwester zusammenleben und mit ihr schlafen, aber vom Rest der Familie hielt er genauso wenig wie ich.
Allerdings hatte ich immer das Gefühl gehabt, dass etwas Eigentümliches zwischen ihm und Victorina gelaufen war. Doch als sie noch am Leben war, hätte man das für fast jedes männliche Wesen in Rom behaupten können. Wenn sie eine bedeutende Persönlichkeit gewesen wäre, hätte meine umtriebige älteste Schwester den Klatschkolumnisten Infamia monatelang mit schmutzigen Geschichten versorgen können.
Hatte demnach irgendeine Sirene den Scriptor in ein Liebesnest am Meer gelockt und ihn durch fleischliche Genüsse zu ihrem Sklaven gemacht? Darüber zu ermitteln würde richtig Spaß machen.
Später erzählte mir Helena, dass nach ihren bisherigen Nachforschungen im Anzeiger mehrere Damen von recht illustrer Abstammung momentan im Rampenlicht standen.
»Hohlköpfigen Prominenten scheint die Aufmerksamkeit zu gefallen. Dumme Mädchen, die von unverschämten Jungs geschwängert worden sind, buhlen regelrecht darum, bloßgestellt zu werden.«
»Das ist doch nichts Neues, Liebste. Aber diese Mädchen sind in Rom, nicht in Ostia.«
»Die größte Skandalgeschichte sollte doch sein, wie offen Titus Cäsar im Palast mit Königin Berenike zusammenlebt. Das wird nie erwähnt werden.«
»Zum einen sind sie ineinander verliebt«, sagte ich. Helena lachte über meine romantische Anwandlung. »Und zum anderen ist Berenike so umwerfend, dass er sie kaum verstecken kann. Jeder Mann im Circus Maximus findet, Titus sei ein glücklicher Hund – und Titus hat nichts dagegen, dass sie alle von seinem Glück wissen.«
»Der Kaiser missbilligt es«, erwiderte Helena mit gewisser Traurigkeit. »Vespasian wird Titus dazu überreden müssen, diese Affäre eines Tages zu beenden. Auch das wird nicht erwähnt werden, außer als kurze Anmerkung unter diplomatischen Ereignissen, wenn die arme Frau nach Hause geschickt wird. ›Die Königin von Judäa hat ihren Staatsbesuch abgeschlossen und ist in den Osten zurückgekehrt.‹ Wie viel echtes Herzeleid wird dabei ungesagt bleiben? Die Königin von Judäa ist viel zu exotisch, um in muffigen Patrizierhäusern empfangen zu werden. Ihre orientalische Herkunft macht sie untragbar als Gefährtin für den Erben des Prinzipats. Die kleingeistigen Wichtigtuer mit ihren ›traditionellen‹ Werten haben gewonnen. Die schöne Berenike wird aus den Armen ihres Liebhabers gerissen und abserviert.«
»Inzwischen«, stimmte ich zu, »werden die schauerlichen Töchter schauerlicher Legaten bei den Consualia-Spielen Orgien mit den Wagenlenkern feiern, und designierte Senatoren werden den
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