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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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und manchmal sogar ein Schwert. Die Scriptoren hatten mir erzählt, dass es eine übliche Vorsichtsmaßnahme war, falls er einem beleidigten Ehemann oder dem riesigen peitschenschwingenden Kutscher einer wütenden Ehefrau begegnete. »Ich will sie nicht zurück, und ich werde dich nicht melden, Titus. Ich muss es nur wissen.«
    »Da war keine.«
    »Ja, ja.«
    »Sie glauben mir nicht!«
    »Doch.«
    Ich glaubte daran, dass kein Sklave je zugeben würde, etwas gestohlen zu haben, womit er sich bewaffnen konnte, selbst wenn er die Waffe verkauft hatte. Sklaven und Schwerter passen nicht zusammen.
    »Ist das alles?«, fragte Titus mit hoffnungsvollem Blick.
    »Beinahe. Aber da der neue Mieter ausgegangen ist, möchte ich dich bitten, mir das Zimmer zu zeigen.«
    Weil er wusste, dass er wegen der gestohlenen Sachen auf schwankendem Boden stand, stimmte Titus zu. Doch wir fanden heraus, dass der Mieter zurückgekehrt war, während ich mit Titus geredet hatte. Er war ein heruntergekommener, heimlichtuerischer Getreidehändler, der jetzt auf seinem schmalen Bett saß und eine kalte Pastete aß. Nux rannte hinein, als würde ihr das Zimmer gehören, und er sprang schuldbewusst auf. Vielleicht hatte die Vermieterin Speisen im Haus verboten. Während er sich wieder beruhigte – wobei er sich vor allem dafür schämte, sich mit Soße bekleckert zu haben –, zeigte ich mich von meiner rauhen Seite. Ich durchsuchte das Zimmer, ohne um Erlaubnis zu fragen. Der Getreidehändler schien zu wissen, dass der vorherige Mieter verschwunden war. Geduldig ließ er mir meinen Willen.
    Er und Titus schauten zu, während ich überall dort nachsah, wo Reisende in Mietzimmern etwas verstecken, vom Offensichtlichen, unter der Matratze, bis zu Subtilerem, oben auf dem Fensterrahmen. Die Dielenbretter waren alle solide vernagelt. Der Wandschrank war leer, bis auf Staub und tote Wespen. Ich fand nichts. Ich befahl Nux zu suchen, was sie wie üblich ablehnte und sich stattdessen mit gierigem Blick auf die Pastete vor die Füße des Getreidehändlers setzte. Ich dankte ihm dafür, seine Unterkunft zur Verfügung gestellt zu haben. Er bat mir einen Bissen von der Pastete an, aber meine Mutter hat mich dazu erzogen, kein Essen von Fremden anzunehmen.
    Ich zerrte Nux und Titus nach draußen, band Nux einen Strick um, damit sie nicht wieder hineinrannte und um Futter bettelte, und verhörte den Sklaven weiter. Ich wollte Diocles’ Gewohnheiten erfahren. »Hat er in seinem Zimmer gesessen und auf ein Erdbeben gewartet wie diese stille Seele, die es jetzt gemietet hat?«
    »Nein, Diocles war dauernd unterwegs.«
    »Gesellschaftlich?«
    »Er suchte nach Arbeit, hat er gesagt, Falco. Er hat’s überall versucht. Hat aber nirgends Glück gehabt.«
    Als Sklave, der sich bei jeder Gelegenheit gern eine Kupfermünze hinzuverdiente, fand Titus es nicht seltsam, obwohl Diocles doch bereits eine Anstellung hatte. »Wo hat er sich vorgestellt?«
    »Bei allem Möglichen, glaube ich. Er war natürlich auf den Kais. Das machen alle. Aber da ist sämtliche Arbeit fest vergeben. Ein- oder zweimal hat er ein Muli gemietet und ist aufs Land hinausgetrottet, vielleicht zum Salatpflücken. Dann hat er’s als Maurergehilfe versucht, aber er hat’s nicht gut genug gemacht, und sie haben ihn rausgeworfen. Vulkans Atem, ich glaube, er hat sich sogar bei den Vigiles beworben!«
    Das war ein Schlag ins Gesicht. »Wohl kaum, oder?«
    »Nein, Sie haben recht, Falco. Er muss mich auf den Arm genommen haben. So blöd ist doch niemand.«
    »Sonst noch was?«
    »Mehr fällt mir nicht ein.«
    »Na, dann vielen Dank, Titus. Jetzt kann ich mir eher ein Bild machen.«
    Ein schwaches Bild und eines, in dem Diocles entweder bekloppt geworden war, ein anderes Leben anfangen wollte oder eine falsche Spur gelegt hatte, um zu verbergen, hinter welcher sensationellen Geschichte er als Infamia her war. Mehrere falsche Spuren, so wie es sich anhörte.
    Ich wollte die erste Möglichkeit nicht vollkommen ausschließen. Der Mann war verschwunden. Was auch immer die anderen Scriptoren von seiner Unzuverlässigkeit hielten und was ich über seine eventuell schiefgelaufene Arbeit mutmaßte, er könnte trotzdem absichtlich beschlossen haben zu verschwinden. Menschen machen sich ohne Vorwarnung aus dem Staub. Aus keinen offensichtlichen Gründen beschließen manche, neu anzufangen, und das oft in einer neuen Rolle, die ihre Freunde in Erstaunen versetzen würde. Ich hatte einen Onkel, der sich auf

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