Das Geheimnis des Scriptors
hat sich an mich gewandt.«
»Und worum ging es bei dem Projekt?«, fragte Gaius mit seiner üblichen Beharrlichkeit.
Damagoras lächelte und blickte fast verschämt auf seine im Schoß liegenden Hände. »Oh … das ist kein wirkliches Geheimnis. Ich bin sechsundachtzig, Falco. Würden Sie das glauben?«
»Sie müssen ein gutes Händchen bei der Auswahl Ihrer Weine haben«, versuchte ich es mit einem zarten Hinweis, meine Stimme rauh vor Müdigkeit und dem Sand in der Luft. Immer noch wurden uns keine Erfrischungen angeboten. So viel zur Gastfreundschaft der Seefahrer.
Damagoras war ein Redner, der Unterbrechungen ignorierte. »Jeder, der behauptet, ich sei ein Pirat gewesen, kann mit einem Besuch eines Verleumdungsadvokaten rechnen. Ich habe lange genug in Italien gelebt, um zu wissen, wie das hier gehandhabt wird. Wie gesagt, das alte Gewerbe ist längst tot. Vollkommen. Aber ich hatte ein langes Leben auf See. Viele Abenteuer. Bin einigen seltsamen Gestalten begegnet. Ich habe Ansichten zu allen möglichen Dingen. Ich hatte Erfolg. Das ist eine Geschichte, die es immer wert ist, erzählt zu werden. Ich habe eine große Familie und würde einiges von meinem Wissen gerne an zukünftige Generationen weitergeben.«
»Warum dann Diocles?« Ich hatte ein mulmiges Gefühl.
»Er ist doch eine Art Scriptor, oder? Tja, er sagte mir, er brauche Arbeit. Er wollte mir dabei helfen, meine Memoiren zu schreiben.«
Ich wies ihn darauf hin, dass laut meiner Kenntnisse über das kommerzielle Verlagswesen die Memoiren eines Seemannes, der kein Pirat gewesen war, bei der Leserschaft möglicherweise durchfallen würde.
»Genau das hat Diocles auch gesagt«, erwiderte Damagoras traurig.
XVI
N achdem er noch mal darauf herumgeritten war, ein alter Mann zu sein, zog sich Damagoras zurück. Wahrscheinlich wartete weiterer Wein auf ihn, mit feinsten Gewürzen und frisch erwärmt, dazu ein Imbiss auf einem Tablett, stellte ich mir vor. Es hätte mich nicht überrascht, wenn sein Bett von zwei geschmeidigen jungen Frauen gewärmt wurde, parfümiert mit hochwertigen persischen Ölen und bewandert in den darstellenden Künsten.
Auf uns warteten nur sehr elementare Freuden. Uns wurde erlaubt, die Nacht in einem Gästeraum zu verbringen. Dort standen zwei schmale Betten mit schlichten Decken und ohne erregende Trösterinnen. Ein staubiger Wasserkrug, der bereits seit dem letzten Markttag dort hätte stehen können, war die einzige Erfrischung.
Wir waren keine Gefangenen mehr, konnten uns aber trotzdem nicht frei bewegen. Sklaven führten uns zu unserem Quartier, und draußen auf dem Flur standen jedes Mal, wenn ich den Kopf hinausstreckte, weitere Sklaven herum. Es gab keine Möglichkeit, die Villa zu erforschen.
Am Morgen wurde uns von einem schweigenden Dienstmädchen ein spärliches Frühstück gebracht. Wir hatten kaum Zeit, die Brotkrusten mit noch mehr brackigem Wasser hinunterzuspülen, da wurden wir hinaus zu unseren wartenden Eseln geführt. Die Eskorte zum Tor vergewisserte sich, dass wir das Grundstück verließen. Damagoras sahen wir nicht wieder.
»Wir können uns später zurückschleichen«, meinte Gaius, ermutigt vom Nachtschlaf.
»Das kannst du alleine machen.«
»Na gut«, kapitulierte er schwermütig. »Ist wohl besser, vernünftig zu sein.«
»Junia wird sich fragen, wo du bist, Gaius.«
»Nein, Marcus«, widersprach mein Schwager, »Junia wird mit Ärger rechnen. Sie weiß, dass ich mit dir zusammen bin.«
Es war immer noch früh, als wir durch die Porta Laurentina nach Ostia hineinritten. Nachtschwärmer waren wohl gerade erst in den schmuddeligen Tavernen bei der Porta Marina in Schlaf gesunken. Urlauber lagen sicherlich noch in ihren Betten. Händler und Einheimische waren bereits auf den Beinen. Die Thermen würden erst gegen Mittag öffnen, aber dünne Rauchwolken stiegen über den Wäschereien und Gerbereien auf, wo die Öfen wieder angestochert wurden, während der köstliche Geruch frischer Brotlaibe und Brötchen aus den Bäckereien wehte. Meeräschen und Sardinen wurden von den Fischhändlern in Reihen ausgelegt, über denen Schwertfische an Metallhaken hingen. Körbe mit Obst und Gemüse wurden zu hübschen Mustern arrangiert. Die großen Vordertüren der Läden standen halb offen, während die Besitzer die Pflastersteine davor sauber schrubbten. In den schmalen Seitenstraßen, durch die wir ritten, hatten geschäftige Hausfrauen bereits das Bettzeug zum Lüften über die Fensterbrüstungen
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