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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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unruhig. Er hatte einen festen Tagesablauf. Wenn er über Nacht fortblieb, ohne Junia vorher benachrichtigt zu haben, würde er in Panik geraten, und er musste regelmäßig etwas zu sich nehmen. Ich zog es vor, meinen Hunger und meine Besorgnis zu ignorieren, bis ich einschätzen konnte, was hier lief.
    Damagoras musste über achtzig sein. Um so lange zu überleben, konnte er nur ein Leben in Luxus geführt haben. Zahllose braune Altersflecken sprenkelten seine recht lockere Haut, aber er war trotzdem immer noch gutaussehend und wirkte durchtrainiert. Er war weniger gebräunt als die anderen Männer. Das bisschen Haar, das er noch besaß, war sehr kurz geschoren. Er lehnte sich zurück und musterte uns.
    »Sie sind in mein Haus eingedrungen«, sagte er.
    »Dafür entschuldige ich mich«, erwiderte ich.
    Jetzt zeigte der Haushaltungsvorstand ein breites Lächeln. »Vergessen!«, versicherte er mir. Freundlich gefiel er mir viel weniger. Er klang wie mein Vater, der ein verschlagener Stinkstiefel ist. »Ich bin ein alter Mann, hab keine Zeit, Groll zu hegen. Ich bin eine glückliche Seele, großzügig, jemand, mit dem man gut auskommen kann. Was soll dieser Blick?«
    Ich hatte ihn meine Skepsis sehen lassen. »Männer, die behaupten, sie seien gut zu haben, Damagoras, neigen dazu, engstirnige Despoten zu sein. Ich kann jedoch erkennen, dass Sie ein wunderbarer Mensch sind, warmherzig …« Auch ich konnte Charme heucheln. »Wer ist Ihr Freund, der uns gefangen genommen hat?«, fragte ich leichthin.
    »Ach, nur Cratidas.«
    »Ist der immer so gereizt?«
    »Wird manchmal ein bisschen hitzköpfig.«
    »Ein Verwandter?«
    »War nur zufällig hier.« Damagoras wich der Frage aus. »Ich verlasse das Haus nicht mehr. Die Leute kommen vorbei, um zu sehen, ob ich noch am Leben bin.«
    »Wie nett. Sie bringen Ihnen Neuigkeiten und einen Korb Granatäpfel – und murksen dann Ihre Sklaven halb ab, demolieren Ihren Garten und verprügeln Ihre Besucher?«
    Damagoras schüttelte den Kopf. »Nun, nun!«
    »Wenn Cratidas ein bloßer Bekannter ist, sind Sie sehr tolerant.«
    »Cratidas ist ein Landsmann.«
    Ich spürte, dass sich in dieser abgelegenen Villa eine engverbundene Gemeinschaft zusammengeschart hatte. Wenige Fremde siedeln sich an der Küste von Ostia an. Mir war unwohl bei dem Gedanken, woher sie gekommen waren – und warum. »Er wohnt also hier bei Ihnen?«
    »Nein, nein. Er hat seine eigenen Interessen. Ich bin ein alter Mann, habe mich vollkommen von der Welt zurückgezogen. Also, was wollen Sie, Falco?«
    Ich gab es auf, darauf zu warten, zum Sitzen aufgefordert zu werden, und ließ mich auf der am nächsten stehenden Liege nieder. Gaius tappte mir wie ein zahmes Lamm nach und hockte sich auf das andere Ende. Seine gesamte Pedanterie war durch die Schläge zerschmettert worden.
    In neutralem Ton sagte ich: »Ich suche nach einem Mann, der vermisst wird. Ich fand Ihren Namen auf einer Notiztafel, die er zurückgelassen hat. Er heißt Diocles.«
    Veränderte Damagoras seine Haltung? Vermutlich nicht. Er blieb gelassen, streckte seinen Arm aus und pochte gegen die Lehne der Liege, auf der er saß. Er trank Wein und schlürfte hörbar. Dann knallte er den Becher auf einen dreibeinigen bronzenen Beistelltisch. Sowohl die Armhaltung als auch das Hinunterkrachen wirkten wie normales Verhalten. Nicht weiter beachtenswert. Selbst mit achtzig war er ein großer entspannter Mann, dessen Gesten zu ausholend waren.
    »Was hat er getan, dieser Diocles?« Seine Neugier war echt, soweit ich das beurteilen konnte.
    »Leute, die ihn kennen, machen sich Sorgen. Er verschwand und ließ all seine Sachen in einer Pension zurück. Vielleicht ist er krank geworden oder hatte einen Unfall.«
    »Und dafür wird ein Privatermittler bezahlt?«, schnaubte Damagoras. Er war eindeutig der weitverbreiteten Ansicht, dass Ermittler raffgierige Blutsauger sind.
    »Ein starkes Stück von jemandem, der angeblich ein Pirat ist!«
    Damagoras nahm es gelassen hin. Ja, er lachte sogar schallend. »Wer hat Ihnen denn diesen Blödsinn erzählt?«
    Ich lächelte ihn an. »Kann ja wohl nicht sein, nicht wahr? Jeder weiß doch, dass Pompejus der Große die Piraten von den Meeren verjagt hat.« Als Damagoras nicht antwortete, fügte ich hinzu: »Hat er das tatsächlich?«
    »Natürlich.«
    »Der gute alte Pompejus. Wie sind Sie dann zu Ihrem aufregenden Ruf gekommen?«
    »Ich stamme aus Kilikien. Ihr Römer glaubt, dass jeder von uns ein Pirat ist.« Stimmt.

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