Das Geheimnis des Scriptors
nicht mehr als hundert Schiffe. Um damit das gesamte Mare Internum zu überwachen, war es, als wollte man gegen den Wind pissen. Nur die Hälfte des Kontingents kann einigermaßen in Ordnung gewesen sein. Einige müssen mit Entenmuscheln verkrustete, längst aus dem Verkehr gezogene Wracks gewesen sein. Es musste Hals über Kopf gehen. Klassisch! Doch irgendwie trieb Pompejus die gesamte Piratenflotte bis zurück nach Kilikien. Es hat ein paar Gefechte gegeben, aber nichts, was in die Analen einging. Dann ließ er ihnen dieses besondere römische Wunder angedeihen: Gnade!«
»Machen Sie Witze?« Selbst Brunnus wachte erneut auf.
»Kein Witz. Er hätte sie alle kreuzigen können – was er hätte tun sollen, wie Sie vielleicht sagen werden. Die Burschen wussten, was fällig war, und trotzdem verurteilte er nicht einen zum Tode, wenn sie sich ergaben. Sie flohen nach Hause, verängstigt durch seinen Ruf. Dann, wie Sie bereits früher sagten, Falco, verbrannte Pompejus ihre Schiffe nicht. Er gab kund, begriffen zu haben, dass viele durch Armut zum Bösen getrieben worden seien, und er bot jenen, die sich freiwillig stellten, das beste Abkommen an.«
»Reumütige Piraten unterwarfen sich in Scharen?«
»Piraten sind sentimentale Dreckskerle. Piraten schlitzen jedem den Bauch auf – aber sie verehren ihre Mütter. Pompejus verhalf ihnen zu kleinen Bauernhöfen. Alle in Sichtweite eines Flusses oder der Küste, falls die Piraten Heimweh nach Salzwasser bekamen. Adanos, Mallos, Epiphania, ein großes Kontingent in Dyme in der Provinz Achaia, dann natürlich auch in Pompeiopolis – nur damit niemand vergaß, wem sie das alles zu verdanken hatten.«
»Neue Stadt?«
»Keine Zeit, eine neue zu bauen. Nur eine alte, die umbenannt wurde, Falco.«
»Ich habe mit einem Mann aus Pompeiopolis gesprochen«, teilte ich ihm mit. »Einer Kuriosität namens Damagoras.«
»Nie von ihm gehört. Ist er ein Pirat?«
»O nein, er behauptet, nie einer gewesen zu sein.«
»Er lügt!«, schnaubte Caninus.
»Wahrscheinlich. Er hat ein großes Haus, vollgestopft mit reicher Beute aus dem ganzen Gebiet des Mare Internum, und keine sichtbare Erklärung für all seine Reichtümer. Also plündern sie trotz der kleinen Bauernhöfe immer noch die Meere?«
»Rom braucht seine Sklaven, Falco.«
»Sie meinen, wir wollen, dass die Piraten weitermachen?«
Caninus tat schockiert. »Das habe ich nicht gesagt. Es ist Hochverrat, anzudeuten, dass Pompejus versagt hat. Er hat das Problem gelöst. Es war ein römischer Triumph. Die Meere sind frei von Piraten. Das ist offiziell.«
»Das ist doch offizieller Schwachsinn!«
»Je nun, Falco, jetzt werden Sie politisch!«
Wir lachten alle. Allerdings, da einige unter uns einander fremd waren, taten wir es vorsichtig.
XIX
N ichts davon half mir, Diocles zu finden. Meine Unruhe teilte sich Petro mit. Er rollte sich plötzlich herum und starrte Caninus an. »Brunnus sagte, Sie wären Piratenspezialist. Wenn die offiziell nicht existieren, wie kann das sein?«
»So ist die Marine halt«, erwiderte der Schiffszwieback und schaute verschämt.
»Was machen Sie hier in Ostia?« Ich stellte die Frage in so leichtem Ton wie möglich. Er war weit weg von Kilikien, falls Kilikien die Hochburg der Piraten war.
»Freundschaftsbesuch.«
»Mit drei Triremen?«
Caninus sah mich erstaunt an. Sollte er sich doch wundern, woher ich das wusste. Ein Geheimnis war es kaum. Jeder, der in Portus spazieren ging, konnte sie gesehen und gezählt haben. »Wenn man es braucht, ist nie ein Kriegsschiff da, und dann tauchen sie gleich zu mehreren auf«, meinte er grinsend.
»Für eine Übung an Land?« Petronius, ein typischer Vertreter der Vigiles, wollte wissen, was andere Waffengattungen in dem Revier veranstalteten, dem er momentan zugeteilt war.
»Wir ziehen nur von Hafen zu Hafen und brüllen den Namen des Kaisers. Wenn die hohen Herren beschließen, wir hätten einen Landurlaub verdient, gestatten sie uns, hierherzukommen und in dem Gedränge von Portus zu ankern. Wir zeigen ausländischen Handelsfahrern, wie man sich zu benehmen hat …«
»Sie haben nicht etwa ein Piratenschiff an Land gejagt?«, wollte Petro wissen.
»Jupiter, nein! Wir wollen doch keine hässlichen Szenen auf der Türschwelle des Kaisers.« Bis das Gespräch politisch wurde, hatte Caninus mit Hitze und Leidenschaft gesprochen. Jetzt blubberte er nur noch in Klischees. Ich glaubte nicht, dass es am Wein lag. Er hatte bewiesen, wie trinkfest
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