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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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ich, obwohl ich inzwischen so beduselt war, dass ich jedes Interesse an Erkundungen verloren hatte.
    Caninus kam der Aufforderung beglückt nach, wie so ein grausiger Philosoph, der ächzend zum nächsten Teil eines dreistündigen Vortrags kommt. »Beginnen wir mit der Definition: Piraterie, Charakteristika von …«
    »Wir können eine Tafel kommen lassen, falls Sie Diagramme benötigen.« Brunnus hatte aufgehört die Sache ernst zu nehmen.
    Caninus ignorierte ihn. »… Risiko, Gewalt, Plünderung, Tod. Die vier Säulen der organisierten Seeräuberei. Tod ist das Beste für den durchschnittlichen Seeräuber. Überfälle an Land, Kapern von Handelsschiffen, es geht immer um Räuberei in Zusammenhang mit Gewalt, und der Nervenkitzel daran ist …« Er hielt inne, verdutzt darüber, wie er ein entscheidendes Element hatte übersehen können. »Nervenkitzel … Risiko, Gewalt, Plünderung, Tod – die fünf Säulen.«
    Neben Brunnus stand ein Lampentisch, auf dem er sorgfältig drei Äpfel, eine Feige und ein halb gegessenes hartes Ei aufgebaut hatte, um den ausschlaggebenden Quincunx darzustellen. Quincunx war sein Ausdruck, und ich war ehrlich überrascht, dass er ihn kannte oder fähig war, ihn aus seinem benebelten Hirn abzurufen.
    »Vor allem Tod«, nuschelte Petronius. Er lag rücklings auf der Speiseliege, die er sich mit mir teilte, und betrachtete die Decke. Petros teigfarbene Tunika mit der geflochtenen Borte, seine liebste Freizeitkleidung, war unter den Achseln zerknittert. Er hatte einen glasigen Blick, wie ich ihn seit unserem letzten Abend in Britannien nicht mehr gesehen hatte, dem Abend, an dem wir die Armee verließen. Doch das ist eine andere Geschichte.
    Mir war schlecht. Ich redete mir ein, es würde vergehen.
    »Töten«, teilte uns Caninus mit, »ist das Lieblingsspiel aller Piraten.«
    »Vergewaltigung?«, führte Petro an.
    »Vergewaltigung ist gut, aber Töten ist das Beste.«
    »Alles eine Frage des Blickwinkels«, lobte Petro. »Danke.«
    »Für diese Leute …« Caninus konnte stundenlang plappern, ohne darüber nachzudenken. »Bei ihrer Lebensweise geht es nur ums Geschäft. Piraterie ist gleich Handel. Schiffe sind gleich Investition. Plünderei ist gleich Gewinn. Für einen Piraten sind das Gewinne aus rechtmäßigen Tätigkeiten.«
    »Halten Sie …« Brunnus wachte plötzlich auf. »Halten Sie diese Ansprache auch für die Rekruten?«
    »›Kenne deinen Feind‹«, bestätigte Caninus und tippte sich an die Nase. »Meine große Spezialität. Jedes Mal, wenn so ein verdammter neuer Admiral kommt, der bisher nur eine Landratte war, bis ihm sein bester Freund, der Kaiser, eine Flotte zum Spielen gibt – bei solchen unglückseligen Ereignissen muss ich diese Ansprache für die Ratte halten. Zu solchen Gelegenheiten trage ich meine beste Paradeuniform. Manchmal bleibe ich sogar nüchtern während der Landrattenlitanei. Zwischendurch halte ich sie einmal im Jahr für die Trierarchen bei ihrem Saturnalienbesäufnis. Alle vollkommen besoffen.«
    »In Misenum?«, wollte Brunnus aus irgendeinem Grund wissen.
    »Nein, ich bin in Ravenna.« Brunnus, der uns berichtet hatte, Caninus gehöre zur Flotte von Misenum, blickte verärgert.
    »Erzählen Sie mir«, bat ich, »bevor ich unter diesem geschmackvollen Lampenhalter umkippe …« Ein haariger Bronzesatyr mit einem enormen Pimmel. Privatus, dem er gehörte (der Satyr, nicht das erstaunliche Körperglied), hatte einen grausigen Geschmack. »Erzählen Sie mir von Kilikien.«

    Caninus betrachtete mich mit einem tief misstrauischen Blick. Wieder hatte er einen leeren Kelch, doch diesmal sah er davon ab, ihn zu füllen. Petronius tat es für ihn. Ich wehrte mit einem Wedeln ab, doch er füllte meinen Becher trotzdem. Mir fiel auf, dass er seinen leer ließ.
    »Welches Interesse haben Sie an Kilikien, Falco?«
    Ich rang mir ein Lächeln ab. »Wenn ich das wüsste, würde ich Sie ja nicht um Hinweise bitten.«
    »Waren Sie je dort?«, wollte Caninus wissen.
    »Nein.«
    »Ungewöhnlich für Falco«, warf Petronius loyal ein. »Er ist ein weitgereister Mann. Didius Falco ist ein Name, der Schankmädchen in Tavernen von Londinium bis Palmyra zum Erröten bringt. Nennen Sie diesen Namen im brennend heißen Leptis Magna, und es werden, wie ich gehört habe, zwanzig Vermieter vorstürzen, in Erwartung von exorbitantem Trinkgeld für Heu und Haferflocken.«
    »Ich glaube, du verwechselst mich mit meinem Bruder, Petro.«
    »Klingt, als würde ich

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