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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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in den Lagerhäusern arbeiteten, zogen es vor, nicht überwacht zu werden.
    »Habt ihr sonst noch jemanden hier rumlungern sehen?«, fragte ich. »Jemand anderen als uns, natürlich.«
    Das erzeugte Gemurmel und ein wenig Gelächter. Jemand erwähnte Caninus. Ein anderer wandte dem Gespräch angewidert den Rücken zu. Sie verabscheuten die Marine offenbar noch mehr als die Vigiles.
    »Ich weiß von Caninus. Ich dachte eher an so einen Bürohengst, einen Schreiberling, der nach etwas Aufregendem Ausschau hielt. Sein Name ist Diocles. Habt ihr den je gesehen?«
    Anscheinend nicht.

    Aulus und mir gelang es schließlich, eine Mitfahrgelegenheit auf einem langsamen Karren zu ergattern, aber quer über das, was sie die Isola nannten, staute sich der Verkehr. Wie viele andere sprangen wir bald ab und gingen zu Fuß. An der Fährenanlegestelle wurden wir mit der Menge vorwärtsgeschoben, wobei uns Werkzeugbündel ins Kreuz prallten und Ellbogen in die Seite stießen. Auf dem Boot hingen wir vom Schandeck, klammerten uns fest, wo es nur ging, und bekamen bei jedem Ruderschlag blaue Flecke. Die Ruderer hatten alle Hände voll zu tun. Gewöhnt an dieses Gedränge, hörten sie einfach zu rudern auf, wenn sie zu sehr behindert wurden. Das trug noch zu den Folterqualen bei, da wir stromabwärts trieben und dann mühsam zurückgerudert werden mussten. Der Dunst aus Knoblauch, Wein und Schweiß von den Arbeitstuniken bildete einen atemraubenden Gifthauch über dem tiefliegenden Boot, das langsam nach Ostia hinüberkroch. Charons dreckiger Stechkahn musste angenehmer zu ertragen sein. Wenigstens wusste man da, dass man auf dem Weg zu endloser Ruhe in den Elysischen Gefilden war.
    Noch etwas: Charon lässt sich von jeder toten Seele bezahlen. Aulus und ich waren die einzigen Römer auf dieser Fähre, und wir schienen die Einzigen zu sein, denen man ein Fahrgeld abgeknöpft hatte.
    Endlich landeten wir und gingen direkt nach Hause. Es war zu spät, noch irgendetwas zu erreichen. Ich wollte zuerst nachdenken, da ich nicht nach Ostia gekommen war, um über Entführungen zu ermitteln. Niemand würde mir dafür danken – oder mich bezahlen. Ich musste mein Ziel im Auge behalten. Mein Auftrag lautete, den Scriptor Diocles zu finden. Bisher hatte ich ihn mit einem möglicherweise im Ruhestand lebenden Piraten in Verbindung gebracht, aber die Damagoras-Verbindung führte zu nichts Konkretem. Ich hatte keinen Anlass zu glauben, dass Diocles von den Entführungen gewusst hatte, auf die wir gerade gestoßen waren. Er hätte es gerne gewusst, ja. Entführung gegen Lösegeld war eine alte Piratentradition, aber ich konnte nicht beweisen, dass Diocles erkannt hatte, was hier vorging.
    Nach allem, was ich bisher wusste, könnte er tatsächlich nach Ostia gekommen sein, um seine Tante zu besuchen, wie er es den anderen Scriptoren erzählt hatte. Nachdem er einmal hier war, könnte er in Betracht gezogen haben, Damagoras’ Memoiren in Schwarzarbeit zu schreiben, während er für seine römischen Vorgesetzten unsichtbar war. Vielleicht hatte er die Idee fallenlassen, als er merkte, dass er auf einer Baustelle besseres Taschengeld verdienen konnte. Am Ende könnte ich ihn wohlbehalten beim Mörtelmischen finden, ahnungslos über die Aufregung, die er verursacht hatte.
    Allerdings würde er merken, wie anstrengend es ist, auf dem Bau zu arbeiten; er war kein Jüngling mehr. Ich besaß ein paar persönliche Angaben. Der Anwerber der Vigiles hatte gesagt, Diocles sei achtunddreißig – ein paar Jahre nach der Entlassung für einen kaiserlichen Freigelassenen. Palastsklaven wurden normalerweise mit einem Beutel Gold in die Freiheit entlassen, wenn sie dreißig waren. Holconius und Mutatus hatten mir erzählt, der einzige Grund, warum Diocles nach wie vor beim Tagesanzeiger arbeitete, statt zu heiraten und einen Schriftrollenladen hinter dem Forum zu eröffnen, sei, dass der Kaiser verlässliche alte Hasen wollte, die den kaiserlichen Namen aufpolierten.
    Warum war Vespasian so an der Infamia-Kolumne gelegen? Laut Holconius verbreiteten die Hofnachrichten ständig gute Neuigkeiten über die Mitglieder der herrschenden Flavier-Dynastie – eindrucksvolle Taten auf den Gebieten der Kultur, der Stadtgestaltung und des Barbarenabmurksens. Aber Vespasian, berühmt für seine altmodischen Moralvorstellungen, wollte gleichzeitig, dass Geschichten über Unsterblichkeit im Anzeiger abgemildert wurden, damit er – der Vater seines Landes – als derjenige

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