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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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erscheinen würde, der die Gesellschaft gesäubert hat. Der alte Spielverderber brauchte das Gefühl, dass die Klatschspalte nicht mehr so geschniegelt war wie zu Neros Zeiten.
    Ich verstand nicht – oder verstand es noch nicht –, wie Piraterie da hineinpasste. Es stimmte, falls Piraten immer noch die Meere durchstreiften, würde Vespasian sie erneut vertreiben wollen. Aber würde er »der neue Pompejus« sein wollen? Pompejus war ein unglücklicher Politiker gewesen, ermordet in Ägypten zum Entzücken seines Rivalen Cäsar. Am Ende war der große Pompejus ein Verlierer. Vespasian war zu gewieft für so was. Falsche Botschaft vom Signalposten. Und falsche Botschaften waren nicht Vespasians Stil.

XXIII
    A m nächsten Morgen begab ich mich als Erstes zur Kaserne der Vigiles.
    Petronius war nicht da. Ja, es war so gut wie niemand da. Ich wandte mich zunächst an den Amtsschreiber. Er teilte mir mit, Brunnus sei irgendwo hingegangen. Im ersten Moment hielt ich das für ein gutes Omen. Ohne auf die Schreie der Brandstifter und Diebe zu achten, die länger würden warten müssen, um auf Kaution entlassen zu werden, lockte ich Virtus (so hieß der Schreiber, wie ich entdeckt hatte) mit nach draußen auf den offenen Hof, wo uns niemand zuhören konnte.
    »Du wirst das wissen«, schmeichelte ich ihm. »Du bist der Einzige hier, von dem ich verlässlich weiß, dass er die Fallberichte auf dem Laufenden hält.«
    »Hör auf, mir Honig um den Bart zu schmieren, Falco. Worum geht’s?«
    »Entführung.«
    Virtus schüttelte den Kopf. Er wollte sich wieder seinen Pflichten zuwenden. Ich packte ihn am Arm. Ich berichtete ihm, es habe mehrere Opfer gegeben, von denen sich bestimmt das eine oder andere an die Vigiles gewandt hatte.
    Virtus setzte den unbestimmten Ausdruck auf, den Schreiber so perfekt beherrschen. »Vielleicht hat man sie sich vor Monaten geschnappt, als die letzte Kohorte hier war.«
    »Welche war das vor der Sechsten?«
    »Hab ich vergessen. Die Vierte? Nein, die Vierte kommt nächste Woche zur Ablösung. Das ist Petronius’ Einheit …«
    »Dessen bin ich mir durchaus bewusst«, sagte ich. »Aber das ist ein fortlaufendes Verbrechen, und du bist hier fest als Amtsschreiber angestellt. Mach keine Fisimatenten. Die Entführer versetzen ihre Opfer zwar in Angst und Schrecken, aber wenn der Schock nachlässt, kommt die Wut. Opfer waren hier – und jemand hat sie verhört.«
    Virtus geriet ins Schwanken. »Es gibt nur eine Stelle, wo diese Berichte sein könnten, Falco.«
    Ich bot ihm Schmiergeld an. Manchmal erzählen mir Schreiber Geheimnisse, weil ihnen meine Vorgehensweise gefällt, manchmal hassen sie ihre Vorgesetzten und sind froh, ihnen Ärger zu bereiten. Was Virtus anging, seine Stellung sei in Gefahr, wenn er rede (protestierte er), und daher war eine Bestechung unerlässlich.
    Ich bezahlte ihn. Ich mochte ihn und nahm an, es würde sich lohnen.
    Er war immer noch nervös.
    Wir gingen zum Ende des Exerzierhofs und direkt in den Schrein. Er war dem Kaiserkult gewidmet. Drinnen wurden wir von den Büsten des jetzigen Kaisers überschattet, flankiert von seinen Söhnen Titus und Domitian Cäsar, daneben die älteren Köpfe von Claudius – der die Vigiles nach Ostia gebracht hatte – und selbst des in Ungnade gefallenen Nero. Das reichte an Zeugen. Ich vergewisserte mich, dass uns sonst niemand auflauerte.
    Jetzt war ich ebenfalls nervös. Die Art, in der Virtus und ich den Schrein betreten hatten, musste verdächtig gewirkt haben. Jeder, der uns zwei entlang der Kolonnade hatte schleichen und hier hineinhuschen sehen, würde annehmen, wir hätten etwas Unanständiges vor. Sexuelle Perversionen gehörten nicht zu meinen Sünden, und die Vierte Kohorte hätte das gewusst, aber für die Sechste war ich eine unbekannte Größe. Ich hatte gerade einem Staatssklaven Geld gegeben und ihn dann an einen düsteren Ort geführt. So eine Handlung könnte meinen Ruf ruinieren, und da das hier ein Schrein war, könnte man mir noch eine Anklage wegen Blasphemie anhängen.
    »Nun mach schon, Virtus.«
    Ängstlich und fluchtbereit murmelte Virtus: »Es könnte in der illyrischen Akte stehen.«

    Ich stöhnte. Gerade als ich genug Nachforschungen angestellt hatte, um den kilikischen Aspekt zu meistern, tauchte hier eine weitere Ärgernisprovinz auf. Illyrien, in Dalmatien, liegt viel näher an Italien, hat aber ebenfalls eine Felsenküste voller Meeresarme und Inseln und beherbergt gleichfalls ein Nest von Piraten

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