Das Geheimnis des Scriptors
durchschauen. Er genoss den Gedanken, dass seine Jungs die Gelegenheit haben würden, es ihren Rivalen zu zeigen.
Ich umriss die Entführungen, wobei ich darauf achtete, nicht zu weit in der Zeit zurückzugehen. Verzeihen Sie mir, falls ich wie eine Textaufgabe für Schuljungen klinge, aber wenn sieben Kohorten in rotierenden Viermonatsschichten arbeiten, dann muss jede alle zwei Jahre und vier Monate auf den Außenposten zurückkehren. Ich wusste zufällig, dass Rubella als Neuernennung von Vespasian vor drei oder vier Jahren zur Vierten gekommen war, und daher musste ich ein hübsches Panorama entwerfen, bei dem die Abordnung der glorreichen Vierten ihre hässliche Nase sauber gehalten hatte, als sie das letzte Mal in Ostia diente, und kein Hinweis auf die Entführungen ihren Tribun hätte erreichen können. Der ganze Zweck der Übung war, Rubella jetzt in Aktion zu setzen.
Es funktionierte. Nachdem ich ihm die Situation beschrieben hatte, beschloss Rubella, darauf mit der üblichen Antwort des Militärs auf alles und jedes zu reagieren – ein Sondereinsatz. Um der Sache Gewicht und Impetus zu verleihen (und um der drückenden Augusthitze in Rom zu entfliehen), würde Rubella den Einsatz selbst leiten.
Zum Hades. Rubella würde nach Ostia kommen. Jetzt würde Lucius Petronius mich wirklich hassen.
Während meines flüchtigen Besuchs in der Stadt führte ich noch eine letzte Aufgabe durch. Ich sollte mich mit Helena in unserem Haus treffen, aber nachdem ich Rubella verlassen hatte, machte ich einen langen Umweg und ging hinunter zum Forum. Ich überprüfte die Kolumne im Tagesanzeiger. Natürlich wurde mir da nur mitgeteilt, dass Infamia immer noch im Urlaub sei. Dann besuchte ich Holconius und Mutatus in der Redaktion des Anzeigers.
Beide waren natürlich nicht da. Die meisten Leser des Anzeigers sind im Juli und August verreist. Nichts Aufregendes passiert. Alle sind an der Küste. Jeder, der genügend Geld hat, zieht sich wegen der kühleren Luft in die Berge zurück oder südlich ans Meer.
»Ihr könntet eine Sonderausgabe mit dem Titel Neueste Neapolis-Nachrichten herausbringen«, schlug ich dem Sklaven vor, der lustlos mit einem feuchten Schwamm in den ansonsten leeren Räumen herumfuhrwerkte. »Küstenklatsch. Sandige Surrentum-Skandale. Bumsereien in den Badebecken von Baiae. Andeutungen, dass es bald Engpässe bei Jakobsmuschelomeletts geben könnte, falls urlaubende Senatoren ihre maritimen Villen-Bankette nicht einschränken.«
»Der Markttag in Pompeji ist am Tag des Saturn«, erwiderte der Sklave verdrießlich. Das klang, als wäre Tipps und Termine für Kampanien bereits in Erwägung gezogen und als zu langweilig verworfen worden. »In Nuceria findet er am Tag der Sonne statt, in Atella am Tag des Mondes …«
Ich sagte, ich hätte bereits kapiert. Als ich gehen wollte, wachte er plötzlich auf. »Falco, wie geht es Diocles? Ist er immer noch bei seinem Tantchen?«
Ich hielt inne. Das kam unerwartet. Die freundlichen Parzen hatten mir einen Bonus gewährt. »Holconius und Mutatus haben mir den Eindruck vermittelt, das sei nur ein Trick. Ich dachte, Diocles hätte in Wirklichkeit gar keine Tante.«
Der Sklave blickte mich verächtlich an. »Natürlich hat er die. Er besucht sie jedes Jahr.«
»Woher weißt du das?«
Jetzt wurde er hochnäsig. »Die Leute reden halt mit mir.« Vermutlich wollte er Journalist werden, wenn er freigelassen wurde. Sollte es mir nicht gelingen, Diocles zu finden, könnte eine Stelle frei werden.
»Also, wie heißt das Tantchen?«
»Tante Vestina.«
»Und wo wohnt sie?«
»In der Nähe des Tempels.«
»In Portus oder Ostia?«
»Ostia.«
»Ostia ist eine sehr religiöse Stadt, mein Freund. Hast du eine Ahnung, welcher Tempel?«
Dem Sklaven fiel nur ein, dass Wasser etwas damit zu tun hatte. Tja, das sollte einfach zu finden sein in einer Stadt an einer Flussmündung unten an der Küste.
Ich gab ihm einen halben Denarius. Er wusste nicht, dass er meinem netten kleinen Sommerauftrag vielleicht gerade den Garaus gemacht hatte. Infamia wurde nicht mehr vermisst; er räkelte sich auf einer Sonnenliege, während eine liebende Verwandte ihn mit kühlen Getränken und hausgemachter Olivenpastete versorgte. Ich brauchte nur den richtigen Tempel zu finden, Diocles von Tante Vestina abzuholen und wieder nach Hause zu bringen.
Ach, wenn es doch nur so einfach gewesen wäre.
XXVI
I ch hatte dem Sklaven die Wahrheit gesagt. Ostia war schon immer sehr religiös
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