Das Geheimnis des Scriptors
Manneszier abhackt. Mit den östlichen Kulten war ich bereits durch. Ich hatte alle Häuser um den Tempel der Isis überprüft. Schien mir kein schlechter Tipp – Isis gleich Nilgott gleich sehr wichtiges Wasser, wenn man in Ägypten lebt. Isis ist außerdem eine Meergöttin und beschützt die Reisenden auf See. Ihr Tempel lag im westlichen Teil der Stadt am Flussufer. Das kam noch am allernächsten an die Beschreibung des Sklaven heran, also durchkämmte ich die Nachbarschaft gründlich. Da mir die Sistrum schwenkenden Priester, die dubiosen Priesterinnen in ihren barbusigen, durchsichtigen Faltengewändern und die enervierenden Abbildungen hundeköpfiger Gesellen mit verschränkten Armen schon immer unbehaglich waren, war ich froh, von dort wegzukommen.
Ich hatte kein Glück gehabt, in der Isis-Nachbarschaft nach Uferhäusern zu suchen, in denen die Tante des Scriptors wohnen könnte. Um mich aufzumuntern, hatte ich eine gute Lampe in Form eines Schiffes gekauft, nur um zu Hause zu bemerken, dass sich darauf drei kleine Schreine von Isis, Anubis und Serapis befanden. In unserem Haushalt hatten wir es nicht mit Götterstatuetten. Wir besaßen nicht mal unsere eigenen Laren. (Als mir das einfiel, ging ich wieder los und überprüfte die Gegend und den Forum-Schrein der örtlichen Laren.)
»Nein, wir wollen Kybele«, beharrte Helena in dieser Nacht. »Die Statue des Kultes wurde aus dem Osten über das Meer nach Rom gebracht, als Claudius beschloss, die Verehrung zu legitimieren. Da gibt es diese Geschichte einer jungen Frau mit schlechtem Ruf …«
Ich horchte auf. »Oh, das richtige Mädchen für mich!«
»Denk noch mal nach, Falco. Das Schiff blieb in der Flussmündung stecken. Wie-auch-immer-sie-hieß ging hin und behauptete, wenn ihre Unschuld intakt geblieben wäre, würde sie das Schiff mit ihrem Gürtel berühren und …«
»Sie machte den Gürtel-Trick. Das Schiff fuhr den Tiber hinauf. Kann ich jetzt weiterschlafen?«
»Du kannst morgen zum Tempel der Kybele gehen, Marcus.«
Das tat ich und fand nichts. Kybele hatte einen großen Komplex in der Nähe der Porta Laurentina, wo sie von diversen beigesellten Göttern in ihren eigenen kleinen Schreinen umgeben war, doch von keinen Tanten, soviel ich feststellen konnte. Helena erlaubte mir, meine beharrliche Suche anderorts fortzusetzen. Ich erkundete die Tempel von Castor und Pollux, Mars, Diana, Neptun, Liber Pater, runde und rechteckige Tempel von Gottheiten, deren Namen nicht mal ersichtlich waren, Pater Tiberim und dem Genius der Kolonie. Die Handwerkerkorporationen hatten ihre eigenen Tempel, deren wichtigste der Tempel der Schiffsbauer und ein Tempel auf dem Forum für die Weinbauern waren (den Morgen genoss ich besonders).
Mir gingen die Podien aus.
Zu diesem Zeitpunkt muss mein hingebungsvoller religiöser Zug von Tempel zu Tempel wohl einer weichherzigen olympischen Gottheit ins Auge gefallen sein. Ich hatte in Seitengassen herumgestöbert, wo sich, wie jemand gemeint hatte, ein Schrein mit einem Schiff darauf befinden sollte. Ich fand ihn nicht. Verzagt trottete ich zu einer Straße zurück, die mich zum Decumanus führen würde. Hier standen zwei kleine Tempel, die ich bereits abgeschrieben hatte. Dazwischengequetscht auf derselben Seite gab es einen größeren Tempel, den des Hercules Invictus. Voller Mitgefühl für einen weiteren Helden, der sich mit harter Arbeit herumplagen musste, schenkte ich dem Tempel mehr Aufmerksamkeit als zuvor und stieg die Stufen hinauf, neun an der Zahl. An einem heißen Tag war das ein steiler Aufstieg, weshalb ich ihn das letzte Mal unterlassen hatte. Ich betrat das Heiligtum. Und da hatte ich meinen Durchbruch.
Im Innern war auf diversen Friesen dargestellt, wie die Statue des Kults vor Jahren gefunden worden war – Hercules war von Fischern aus dem Meer gezogen worden. Vermutlich war ein Schiff mit einer Ladung Kunstwerke in den Untiefen vor Ostia gesunken und hatte die Statue mit in die Tiefe gerissen, einschließlich Keule, Bart und allem. Ich lehnte meine Stirnlocke an den glatten, gutgebauten Torso des Helden.
»Ich danke dir, ergötzlicher Halbgott. Und übrigens – netter Hintern!«
Ich begann eine rasche Suche in der Nachbarschaft. Teile schienen renoviert zu werden. Es gab freie Lücken und zwei leerstehende ältliche Atriumhäuser. In einer Seitenstraße fand ich endlich das Haus, in dem Diocles unterzukommen pflegte. Ich erfuhr, dass seine Tante Vestina, eine Freigelassene des
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