Das Geheimnis des Scriptors
kaiserlichen Hauses, viele Jahre direkt neben dem Tempel des Hercules Invictus gewohnt hatte. Das Haus der Tante war im vergangenen Jahr um diese Zeit abgebrannt. Die erste Frau, mit der ich sprach, hatte die Tante seither nicht mehr gesehen.
Das wäre schon schlimm genug gewesen, aber wenn Vestina entkommen und umgezogen wäre, hätte ich sie vermutlich irgendwann aufgespürt. Traurigerweise fand ich einen anderen Nachbarn, der die ganze Geschichte kannte. Das Feuer war bei Nacht ausgebrochen. Hilfe war erst sehr spät gekommen. Vestina war von Arthritis verkrüppelt gewesen, und sie hatte Asthma gehabt. Sie konnte nicht schnell genug aus ihrem brennenden Haus hinausgelangen und war am Rauch erstickt, bevor sie gerettet werden konnte.
XXVII
M elancholisch trottete ich zum Forum zurück und begab mich auf den Heimweg. Ich traf an einer Gabelung auf den Decumanus Maximus, wo er eine leichte Biegung machte und von seiner Ursprungsachse zur Porta Marina abzweigte. Das war eine der Hauptgabelungen mit einem Schrein und Marktständen alteingesessener Fischhändler und Metzger. Weiter vorne lagen die öffentlichen Gebäude, zuerst die Basilika und dann das Forum selbst. Diese trugen den Marmorstempel des Augustus, um Ortsansässigen und Neuankömmlingen zu verkünden, wie ungeheuer reich ihn die Beute aus Ägypten gemacht hatte und wie entschlossen er war, als Herrscher der Welt betrachtet zu werden. Dort, wo die Straßen aufeinandertrafen, wimmelten sie vor Leben. Das bildete einen traurigen Kontrast zu den toten Flächen hinter mir, doch wenn die leeren Grundstücke wieder bebaut würden, ließe sich hier sicherlich gut leben – zentral und vermutlich erlesen. Irgendein Baulöwe würde hier einen Reibach machen, wenn es ihm gelang, das Brachland in die Pfoten zu kriegen, und es sah so aus, als wäre ein stetiges Aufkaufprogramm im Gange.
Um die Ecke vom Decumanus, in einem eingerüsteten Häuserblock, der anscheinend bereits zur Renovierung vorgesehen war, fand ich eine kleine Gruppe von Vigiles. Das war unerwartet. Petro hatte nie einen Außenposten erwähnt, wenn wir auch ein ganzes Stück von der heruntergekommenen Kaserne entfernt waren. Daher schien es eine gute Idee zu sein. Man musste meilenweit rennen, um in der Kaserne den Brand in einem Badehaus zu melden oder Verstärkung anzufordern, wenn jemand seine Frau auf einem ertappten Dieb sitzend zurückgelassen hatte.
Sie hatten sich einen leerstehenden Laden als Wachlokal eingerichtet. Die Front von dem, was einmal die Werkstatt eines Handwerkers gewesen sein mochte, war jetzt ein gähnendes Loch ohne die Schiebetür. Vier Mann schoben Dienst, nicht der lebendigste Haufen, den ich je gesehen hatte. Sie flegelten sich um einen klapprigen Tisch, während sie darauf warteten, Beschwerden der Bürger entgegenzunehmen. Auf dem Boden, der aus Schutt bestand, lagen zerkaute alte Brotkrusten. Es roch nach Wein, obwohl keiner zu sehen war. Ich nahm mir vor, Petronius darauf hinzuweisen, dass dieses Biwak auf Vordermann gebracht werden musste.
»Mein Name ist Falco.«
»Was wollen Sie?« Ich hatte nicht erwartet, dass man mir Kamillentee und Mandelkuchen anbot. Trotzdem kam mir diese Begrüßung doch ein wenig angriffslustig vor.
»Könnten Sie mir einige Informationen geben?«
»Wir sind keine Enzyklopädie-Verkäufer.« Dem bleichen Einfaltspinsel, der mich anblaffte, merkte man zu viel von seiner mürrischen Sklavenherkunft an.
»Was ist denn mit dem Schmusekurs für die Öffentlichkeit passiert? Ich zahle meine Steuern, du schwabbeliges Käsegesicht!« Nun ja, ich sollte sie zahlen, und bei einem früheren Einsatz für den Kaiser hatte ich viele wohlhabende Steuerhinterzieher dazu gebracht, sich zu entschuldigen und Bares auszuspucken. Das war für den Staat viel nützlicher, als dass ich meine zahlte.
Ein neues Gesicht mischte sich ein. »Nun, nun, mein Herr!« Der hier musste an einem Vortrag über gute Nachbarschaftsbeziehungen teilgenommen haben. »Was wünschten Sie noch mal?«
»Abgesehen von ein wenig Höflichkeit? Ich möchte Auskunft über einen Brand in der nächsten Straße, bei dem vor einem Jahr eine Frau umgekommen ist.«
»Wir können Ihnen Höflichkeit, erstklassiges Salutieren und einen sehr festen Tritt in den Arsch geben«, sagte der Zweite – der Charmante, Witzige –, während seine idiotischen Kumpane mich angafften. »Wir wissen nichts von dem Brand. Einzelheiten über vergangene Vorfälle sind für die Öffentlichkeit nicht
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