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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Er ritt in einem Wahnsinnstempo, die Füße seitlich von einem kleinen Muli abgespreizt wie ein Stammesangehöriger aus der syrischen Wüste, die auf diese verrückte Weise aus Oasen zu preschen pflegten. Wegen der Staubwolke hatte der Reiter einen langen Schal um sein Gesicht geschlungen, aber als ich mich hustend umdrehte, sah ich eine mantelartige Robe im parthischen Schnitt, einen kahl werdenden Schädel und Augen, die mich seitwärts neugierig musterten.
    Damagoras empfing mich. Vielleicht stimmte seine Behauptung, dass er nie das Haus verließ, und daher waren ihm Besucher willkommen. Kleine Bronzebecher auf einem dazu passenden Tablett wurden von einer Frau in perlenbestickten Pantoffeln nach dem vorherigen Besuch hinausgetragen. Mir wurde keine Erfrischung angeboten.
    Wie ich erwartet hatte, wies Damagoras jedes Ansinnen, mein Schwager hätte Anspruch auf Unterstützung bei seinen Arztrechnungen und auf Entschädigung für den Arbeitsausfall, weit von sich. Wir ließen dieses Thema rasch fallen.
    Ich quetschte ihn erneut über Diocles aus, aber auch das endete in einer Sackgasse.
    Dann erwähnte ich die Entführungen. Da wurde der alte Gauner aufmerksamer, doch ich merkte, ihm war klar, wie wenig Hinweise ich besaß. »Und wieso kommen Sie darauf, das mit der kilikischen Gemeinde in Zusammenhang zu bringen, Falco?«
    Er hatte recht, keines der Opfer hatte irgendeine Provinznationalität erwähnt, abgesehen von dem Illyrier. Ich ließ Illyrien absichtlich aus. Wenn man eine Bande brauchbarer Verdächtiger hat, warum dann die Sache komplizierter machen? »Ich ziehe eine direkte Verbindungslinie zwischen Diocles’ Interesse an den Entführungen und seinen Besuchen bei Ihnen.«
    Damagoras schenkte mir sein Ehrlicher-Bursche-Lachen. »Wir haben nie über Entführungen gesprochen. Welches Interesse an Entführungen soll Diocles denn angeblich gehabt haben?« Mir fiel die Vergangenheitsform auf. Vielleicht wusste Damagoras, was mit dem vermissten Mann passiert war.
    »Je länger er vermisst wird, desto genauer wird man all seine Interessen überprüfen«, warnte ich.
    »Das ist sehr unfreundlich, Falco, zu versuchen, einem alten Mann, der nichts Böses getan hat, Angst einzujagen.«
    »Ihnen jagt man nicht so leicht Angst ein. Aber lassen Sie uns nicht darüber streiten – oder zumindest im Moment noch nicht. Jetzt möchte ich Sie bitten, mir eine Kontaktadresse für Ihren faustkämpferischen Kumpan Cratidas zu geben.« Damagoras wurde ausweichend. »Besser ich bespreche mit ihm, was dieses wütende Schwein meinem Schwager angetan hat, Damagoras, als dass Cratidas seinen Namen auf einer Überwachungsliste für Ausländer findet und von den Vigiles aufs Korn genommen wird.«
    Ich war Römer, also nahm Damagoras die Drohung ernst. Gesetzeshütern aufzufallen ist das Letzte, was ein Provinzler mit vorübergehender Aufenthaltsgenehmigung möchte. Jeder Seefahrer hat genug damit zu tun, Einfuhrsteuern und Schutzgelderpresser zu umgehen und mit Negotiatoren herumzuschachern, die ihm auf einem unfreundlichen Markt alle Gewinne abknöpfen wollen. Ständigen Ermittlungen und Belästigungen ausgesetzt zu sein ist tödlich. Nicht gewillt, dieses Risiko einzugehen, erzählte mir der alte Mann widerstrebend von einer Taverne in Ostia, wo man Cratidas finden konnte. Ich notierte mir den Namen.
    »Und kennen Sie zufällig einen Abenteurer namens Theopompus?«
    Nichts änderte sich an Damagoras’ Gesichtsausdruck. »Ein gebräuchlicher Name unter Seeleuten«, sagte er. »Was hat dieser Theopompus getan? Ist er einer Ihrer Entführer?«
    Ich spürte, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Zumindest hatte ich das Mädchen Rhodope nicht erwähnt. In der Stimme des sogenannten Piraten schwang keine Drohung mit, doch falls er irgendwas über die Lösegelderpresser wusste, hatte ich gerade ein Bandenmitglied verpfiffen, das den Anonymitätskodex gebrochen hatte. Diese Dämlichkeit von Theopompus würde nicht verborgen bleiben. Sollte der Verführer des jungen Mädchens dafür allerdings Prügel beziehen, hatte ich deswegen keine Skrupel.
    »Ich nehme an, eines der weiblichen Opfer hat behauptet, mit ihm geschlafen zu haben?« Damagoras las meine Gedanken genauso gewieft wie meine Mutter. »Falco, ich sage Ihnen, die Frau hat gelogen. Bei den alten Piraten galt immer die Regel, ihre Gäste niemals anzurühren.« Sie »Gäste« zu nennen war ein glanzvoller Euphemismus. Und natürlich gab er noch immer vor, die Piraterie sei

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