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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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hatte. Cratidas trug immer noch die lange scharlachrote Robe, die er zur Schau gestellt hatte, als er Gaius und mich bei der Villa angriff. Der andere war in etwas Mattgrünes gekleidet. Seine Gewandung sah dreckig aus, doch in der Borte am Hals und an den Rändern der langen Ärmel blitzten echte Goldfäden. Ich meinte seinen kahl werdenden Schädel und die langen vielfarbigen Schals, die um seinen dicken, haarigen Hals geschlungen waren, schon mal gesehen zu haben.
    Niemand hätte diese beiden mit Philosophielehrern verwechselt. Sie waren Grobiane. Sehr grobe Grobiane. Als ich näher kam, hörte ich barsche Stimmen und abruptes heiseres Lachen. Das war, bevor sie mich wahrnahmen. Danach hing ihre Feindseligkeit zwischen uns so greifbar wie Holzrauch.
    »Nettes Refugium, das Sie hier haben. Erinnern Sie sich an mich? Ich bin Falco.« Cratidas wandte sich an seinen Begleiter und sagte etwas in einer fremdländischen Sprache. Offensichtlich erinnerte er sich, und die Erinnerung brachte sie beide dazu, hässlich zu grinsen. »Tut mir leid, Sie zu stören«, sagte ich. »Ist das hier ein griechisches Symposium?«
    »O ja, wir diskutieren über Literatur!«, erwiderte Cratidas. Die beiden lachten über einen gewaltigen privaten Witz. Ich hob kühl die Augenbraue.
    Der andere Mann stand auf. Er hatte ein östliches Aussehen, und als er sich an mir vorbeischob und mir von der Seite einen höhnischen Blick zuwarf, erkannte ich ihn definitiv wieder. Ich hatte ihn in höchstem Tempo von Damagoras’ Villa fortreiten sehen. Nun verließ er auch uns und grinste Cratidas im Gehen noch einmal an.
    Ich hatte mit den Daumen in meinem Gürtel dagestanden, aber nun breitete ich mich auf der Bank Cratidas gegenüber aus und schob sie am einen Ende vom Tisch weg, um mehr Platz zu haben. Ich legte ihm die Gebrechen dar, die er Gaius Baebius zugefügt hatte. Mir war klar, dass es Zeitverschwendung war. Cratidas spuckte angewidert auf den Feigenbaum. Danach rammte er einen Dolch in den Tisch. Die Spitze verfehlte knapp meine Hand. Ich hielt die Hand bewegungslos, zuckte nicht mal bei dem Krachen zusammen. Er konnte selbst entscheiden, ob es an meiner Dummheit lag oder ob ich nur so benommen war, dass ich mich nicht bewegen konnte.
    »Das ist ein alter Trick.« Ich ließ es trocken und träge klingen. »Haben Sie mich absichtlich verfehlt, oder sind Sie unfähig?«
    Dann ruckte ich unter dem Tisch mit meinem Oberschenkel vor, um seine Knie gegen die Bretter zu pressen, damit er keinen Hebelansatz hatte. Mit dem anderen Fuß trat ich die Bank weg, auf der er saß. Er krachte zu Boden und musste sich dabei den Rücken gestaucht haben. Natürlich war er sofort wieder auf den Beinen. Ich warf mich über den Tisch und packte ihn an seinen langen Haaren. (Man sollte niemals die Haare so lang wachsen lassen, dass ein Angreifer sie packen kann, sagt mein Trainer.) Als sich Cratidas auf mich stürzte, machte ich die Bewegung mit, schwang ihn aber herum, knallte sein Gesicht auf den Tisch und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Ich drückte seinen Kopf mit meinem Körpergewicht nieder. Seine Nase war so verbogen, dass er Schwierigkeiten beim Atmen haben musste.
    »Jetzt hör mir zu!« Er wirkte hilflos, aber ich hatte nicht vor, so nahe bei ihm zu bleiben, falls er sich loswand und sich einen Teil von mir schnappte. »Ich glaube, dass du und dein Kumpel in dem dreckigen parthischen Morgenmantel Teil einer Bande seid, die Kaufmannsfrauen entführen. Vermutlich ist Damagoras der Kopf der Bande. Andere ermitteln bereits in dieser Sache, also kannst du dich mit ihnen auseinandersetzen. Ich will nur eines wissen, und zwar will ich es jetzt wissen, Cratidas: Was ist mit dem Scriptor Diocles passiert?«
    »Ich weiß es nicht!«
    »Oh, ich wette, dass du es weißt! Hat er seine Nase zu tief in euren Lösegeldschwindel gesteckt?« Wieder ein verneinendes Gurgeln. Ich hob ihn ein Stück hoch und knallte sein Gesicht erneut auf den Tisch. Als Gefälligkeit für Gaius Baebius setzte ich dabei ordentlich Kraft ein. Falls es Cratidas beeindruckte, dass ich mich mit ihm in Brutalität messen konnte, ließ er es sich nicht anmerken. »Wo ist er, Cratidas? Was habt ihr mit ihm gemacht?«
    Ich spürte, wie er sich anspannte. Ich war verletzlich, weil ich halb auf ihm lag, also flog ich zurück, als er sich hochschnellte. Er wirbelte mit gebleckten Zähnen herum. Wir waren ein ganzes Stück auseinander. Er sah, dass ich mir seinen Dolch vom Tisch geschnappt hatte.

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