Das Geheimnis des Scriptors
Bauhandwerker?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur, wenn wir völlig verzweifelt sind.«
Als ich fragend die Brauen hob, beeilte sich seine Mutter, über die Korporation zu klagen. »Üble Bande. Sind nur auf ihren eigenen Vorteil aus, wissen Sie.«
»Wieso das?«
Der Sohn warf der Mutter einen warnenden Blick zu, und sie verstummte. Ich blieb beharrlich, schaute jetzt in einen Eimer mit Flusskrebsen, als würde ich mir noch eine Vorspeise für heute Abend überlegen.
»Ich möchte ja nichts Schlechtes sagen«, murmelte die Mutter und half mir dabei, gute Exemplare in eine Tüte zu schnippen. Dann fuhr sie fort: »Die Feuerwehrmänner gehen in die Häuser der Leute und kommen mit vollen Rucksäcken wieder heraus.«
»Sie bedienen sich an den Wertgegenständen?«
»Sind berühmt dafür«, antwortete der Sohn, nun bereit, die Burschen anzuschwärzen. »Und Schlimmeres.«
»Schlimmeres?«
»Nun ja, es lässt sich nicht beweisen, aber manche sagen, wenn die Bauhandwerker ein Feuer löschen, geben sie sich keine allzu große Mühe.« Ich tat begriffsstutzig, und so erklärte er: »Wenn das Gebäude komplett zerstört ist, lässt sich ein netter Gewinn damit erzielen, ein neues Haus zu bauen. Sie sind eher daran interessiert, einen Bauauftrag zu ergattern, als ein Haus oder ein Geschäft zu retten.«
»Mir sind eine Menge leerer Grundstücke auf der anderen Seite der Gabelung aufgefallen. Soll da neu gebaut werden?«
»Könnte sein. Passiert aber nicht viel. Ich schätze, es wird Jahre dauern, bevor sie anfangen.«
»Irgendwelche Andeutungen, dass es da nicht mit rechten Dingen zugeht? Legen die Bauhandwerker auch mal absichtlich Feuer?« Mutter und Sohn schworen, nie von so etwas gehört zu haben. Sie hatten eine weniger zynische Einstellung als ich. »Und in der Nacht, als Vestina starb, wer hat da beim Löschen geholfen?«
»Nachbarn«, sagte der Fischhändler. »Wir mussten Wasser aus den Bädern holen, und die waren bereits geschlossen, daher dauerte es ziemlich lange.«
»Gab es denn nicht ein Wachlokal der Vigiles in dieser Gegend?«
»Ach, die!«
»Haben die nicht eingegriffen?«
»Nein, obwohl Diocles sie darum gebeten hat.«
Der Sohn war kurz angebunden. Die Mutter ging näher darauf ein: »Sie haben ihn einfach ausgelacht. Er hat sie vergeblich angefleht.«
»Wir bekamen das Feuer erst mit, als er von Haus zu Haus rannte und schreiend um Hilfe bat …«
»Du weißt, warum er so verstört war«, sagte seine Mutter. Ich wandte mich ihr zu, und sie erklärte rundheraus: »Er war an allem schuld. Er war immer ein Nichtsnutz. Manche Männer sind so, wissen Sie. Er war an dem Brand schuld.«
»Ein Unfall?«, fragte ich sie, immer noch mit dem Gedanken, dass Petronius Longus den Scriptor prompt als Brandstifter in Verdacht haben würde.
»O ja. Er ließ eine Lampe von einem Bord fallen, das hat er selber zugegeben. Der arme Mann war völlig hysterisch deswegen. Seine Tante war eine so nette Frau – sehr kultiviert, wissen Sie. Sie hatte für eine Kaiserin gearbeitet, als sie ein junges Mädchen war. Ich glaube, Vestina und Diocles hatten keine weiteren Angehörigen – freigelassene Sklaven, aber durchaus ehrenwert und mit kaiserlichen Verbindungen. Er blieb ganz allein, als er sie verlor. Und das auf so schreckliche Weise …«
»Haben Sie ihn noch mal hier gesehen? Ist er in diesem Jahr überhaupt hergekommen?«
»O nein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er jemals wieder herkommt«, sagte die Mutter des Fischhändlers. »Er würde sich doch nicht an das erinnern wollen, was passiert ist, nicht wahr?«
Nachdenklich sortierte ich weitere Flusskrebse aus. Einige waren bloß große Garnelen, würden aber trotzdem schmackhaft sein. Nachdem das Bild nun komplett war, nahmen meine Ängste um Diocles wieder zu. Aus welchen Arbeitsmotiven er auch hergekommen war, der Aufenthalt würde ihm Seelenpein bereiten. Oder waren seine Motive persönlicher Art?
»Ich mache mir Sorgen um ihn«, teilte ich ihnen mit. »Er hatte sich diesen Sommer eine Unterkunft in der Nähe der Porta Marina gesucht. Dann verschwand er plötzlich.«
»Er wird tot in einem Graben liegen«, sagte die Mutter des Fischhändlers. »Er konnte den Alptraum nicht länger ertragen, wenn Sie mich fragen. Er wird sich etwas angetan haben. Ich kann ihn noch vor mir sehen, seine Qual war entsetzlich. Tränen strömten ihm über das Gesicht, voller Ruß von dem Feuer, als er versucht hatte ins Haus zurückzugelangen. Die Leute mussten
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