Das Geheimnis des Scriptors
haben und für eine Razzia in Stellung gegangen sind, kann Rhodope nicht meine Priorität sein.«
Woraufhin Petronius Longus mir mit festem Blick in die Augen sah. »Ich weiß, was du denkst, Falco. Tu es nicht!«
Rubella blaffte mich ebenfalls an: »Falco, ich möchte nicht, dass Sie eine unabhängige Mission durchführen. Lassen Sie das Mädchen und ihren Freund von jetzt an strikt in Ruhe, haben Sie mich verstanden?«
»Wir übernehmen das Drama«, verstärkte Petro seine Worte.
»Und was ist mit der Überwachung des Torhauses?«, wollte ich wissen.
»Überlassen Sie das uns«, sagte Rubella.
Ich erhob mich. »Na, dann vielen Dank an euch beide. Ich würde ja gerne sagen, dass ihr das Blut an den Händen habt, falls das Mädchen stirbt. Leider kann ich mich nicht so leicht herauswinden. Wenn sie stirbt, wird es meine Schuld sein – meine Schuld, törichterweise darauf vertraut zu haben, dass die Vigiles Recht und Ordnung verteidigen.«
»Wir sind für die gesamte Gemeinschaft verantwortlich.« Rubellas Ton war so ausdruckslos, dass ich ihm am liebsten die Zähne eingeschlagen und sie ihm in die Kehle gerammt hätte. »Ich möchte nicht, dass dem Mädchen etwas zustößt – ich möchte das nicht ihrem Vater erklären müssen.«
»Du weißt, wie das läuft, Marcus«, sagte Petronius. »Sie muss das Risiko auf sich nehmen.« Knallhart. So sind die Vigiles nun mal, hieß das.
Rubella gab eine Erklärung ab: »Ich will die ganze Bande zusammentreiben und den Entführungen ein Ende machen, ein für alle Mal.«
»Ein für alle Mal« ist politischer Jargon – wodurch er absolut bedeutungslos wird.
Als ich gerade das Haus des Baulöwen verlassen wollte, kam mir niemand anderer als Brunnus entgegen, der Anführer der Abordnung der Sechsten.
»Was machen Sie denn hier, Brunnus?«
»Marcus Rubella ist in Ostia. Wir haben uns zu einem Treffen verabredet, Falco. Übergabe und gemeinsame Strategiediskussion.«
Wohl eher gemeinsamer Pfusch. Nachdem Rubella und Petronius beide den Wunsch geäußert hatten, ihre Kollegen von der Sechsten bloßzustellen, konnte ich das kaum glauben. »Innerkohortische Zusammenarbeit? Was ist denn nur mit der Rivalität passiert?«
Brunnus grinste fröhlich. »Welche Rivalität, Falco?« Er war ein Unschuldiger. Rubella würde ihn vermutlich aushorchen, bevor er ihm und seiner Kohorte eins überzog. »Wir müssen unsere Bemühungen wegen einiger krimineller Unternehmungen miteinander verzahnen …«
»Der Entführungen«, verkündete ich.
Soweit er wusste, jagte ich wegen Diocles Piraten nach und hatte noch nie was von der Entführerbande gehört. Aufgekratzt, wie er war, bemerkte Brunnus es gar nicht. »Wird herrlich sein«, sagte er und freute sich hämisch, »wenn die Vigiles der Marine und Caninus zuvorkommen!«
Zweifellos hatte Caninus eine andere Marineeinheit, die er zu übertölpeln hoffte. Die Flotten von Ravenna und Misenum waren mit Sicherheit Rivalen. Und so würde es weitergehen – jede Einheit der Dienste dazu entschlossen, auf der nächsten herumzutrampeln. Da war es ganz egal, wenn Posidonius dabei seine Tochter verlor. Wichtig war nur, die Überlegenheit der Kohorte festzuschreiben. Alle waren bloß auf eine ehrenhafte Erwähnung des Kaisers aus.
Brunnus wollte zu den anderen hineingehen, aber ich hielt ihn am Arm fest. »Ein kleiner Ratschlag«, sagte ich, weil ich gereizt war und jemand anderen in die Scheiße reiten wollte. »Sie sollten mal diese schlafmützige Bande von Rüpeln auf Vordermann bringen, die Sie in den Westsektor ausgelagert haben.«
»Wir haben keine Ausgelagerten, Falco. Davon halte ich nichts. Führt nur zu einem Mangel an Disziplin.«
»Ich habe sie selbst gesehen. Vier große Bummelanten. Lungern an der Straße herum, pennen bei der Arbeit auf einem leerstehenden Grundstück, machen sich wichtig, direkt hinter dem Hauptforum.«
»Keine von uns«, versicherte mir Brunnus.
»Dann gehen Sie los und verhaften die Burschen. Das sind Hochstapler, die einen nachgemachten Wachposten benutzen, um der Öffentlichkeit Bestechungen abzuluchsen. Ist es nicht ein Verbrechen, sich als Vigiles auszugeben?« Bestechungen anzunehmen war ebenfalls ein Verbrechen, wenn auch nur in der Theorie. Die Bande, der ich begegnet war, wäre mit ihrer Masche nie durchgekommen, wenn die echten Vigiles eine weiße Weste hätten. Sie benahmen sich, wie es die Öffentlichkeit erwartete.
Brunnus ließ das alles kalt. »Ehrlich gesagt, haben wir aufregendere
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