Das Geheimnis des Scriptors
mir –, dass Rhodope uns Theopompus’ Namen verraten hat. Der alte Schurke könnte sie aus dem Weg schaffen wollen.«
»Sie töten wollen, meinst du?«
»Hoffen wir, dass dem nicht so ist. Theopompus hatte vielleicht nur den Befehl, sie zu dem Clan zu bringen, wo sie ruhig gehalten werden kann.«
Helena bückte sich zu Favonia, die an ihrem Rock zupfte. Mit unserer Tochter auf der Hüfte, warf sie mir einen langen Blick zu. »Könnte es nicht sein, dass der warmherzige Damagoras ein neues Stelldichein erlaubt hat, weil er gerne Liebe über Ungemach triumphieren sieht?«
»Welches Ungemach?«, höhnte ich.
»Na gut. Ein dummes Gör hat sich einem Lümmel an die Brust geworfen, der Geld für protzige Beförderungsmittel aus dem Fenster wirft …«
»Helena, sie ist reich und albern, aber sie hat es mit Schlimmerem zu tun, als sie ahnt. Und damit meine ich nicht nur, dass sie in Gefahr ist, sich die Augen auszuweinen, wenn ihr Cupido sie fallenlässt.«
Helena seufzte. »Du musst sie finden, Marcus. Geh zu Petronius. Lass wenigstens ihren Vater wissen, wo sie ist.«
Das hatte ich auch vor. Ich wollte hören, ob Posidonius bereits über den Aufenthaltsort des durchgebrannten Paares Bescheid wusste. Wenn er über ihre Pläne von Theopompus informiert worden war, konnte ich mich entspannen. Das würde bedeuten, dass Theopompus das Mädchen jetzt festhielt, um dem Vater noch mehr von seinem Vermögen abzuknöpfen. Der Vater hatte seine Probleme, und für ihn mochten es langfristige sein, aber wenigstens würde das Mädchen am Leben bleiben.
Da sich das Haus des Baulöwen direkt neben dem Grundstück befand, auf dem ich Wache gehalten hatte, verließ ich meinen Posten und eilte dorthin, um zu schauen, ob Petronius zu Hause war.
»Sieh an, jetzt haben wir alle Würfel beisammen!«, begrüßte mich Maia. Ich nahm es als Zeichen der Zuneigung. Sie ließ mich ihre Wange küssen.
»Wer ist denn da?«
»Roll dich in den zweiten Hof, und du wirst es sehen.«
Petronius unterhielt sich mit Marcus Rubella. Sie wirkten ungezwungen, griffen nach Trauben von der Pergola und sprachen mit leiser Stimme. Der Tribun musste so fasziniert von dem gewesen sein, was ich ihm über die Ereignisse in Ostia erzählt hatte, dass er schon einen Tag vor dem Rest seiner Abordnung hergekommen war. Als Männer, die ein berufliches Gespräch über ihre Einheit führten, sahen sie bei meinem Anblick verärgert auf.
»Tut mir leid, euch zu stören.«
Die beiden saßen. Petro nahm den Korbstuhl ein, den Maia normalerweise benutzte; ihr Wollkorb stand am Boden zu seinen Füßen. Rubella hatte sich auf einer Marmorbank breitgemacht und ein Bein über die volle Länge des Sitzes ausgestreckt. Ich stand. Ich war zu ungeduldig, um mich wegen Manieren zu streiten, und erzählte bloß meine Geschichte.
»Ich wusste bereits, dass diese Rhodope vermisst wird.« Rubella blieb ganz ruhig. »Ihr Vater kam jammernd ins Wachlokal gestürmt. Entspannen Sie sich, Falco. Wir kümmern uns darum.«
»Nun, ich habe Ihnen gesagt, dass sie in Ostia ist. Kein Grund, mir zu danken«, schnaubte ich. Er blinzelte nicht.
»So ein Mist.« Petronius war entgegenkommender. Er zog sogar hinter sich ein Kissen heraus und warf es mir zu, damit ich mich auf eine niedrige Mauer setzen konnte. »Sie hat den ganzen Einsatz in Gefahr gebracht.« Ach, es war also jetzt ein »Einsatz«? Rubella hatte den Befehl, und selbst Petronius Longus befolgte die Befehle seines Vorgesetzten. Ich wusste, welchen Platz mir das zuwies. »Der Wagenlenker hat nicht beim Torhaus angehalten, Falco?«
»Theopompus hat nicht mal hingeschaut. Damit könnte er versucht haben, das Versteck nicht zu verraten, oder er hatte einfach zu viel Spaß an seinen verrückten Fahrkünsten.«
»Und Sie glauben, dieses Mädchen sei in Gefahr?« Rubellas Ton war behäbig. Er erinnerte mich an Gaius Baebius. Als ich meine Furcht äußerte, dass Damagoras Rhodope aus dem Weg räumen könnte, zeigte der Tribun nur flüchtiges Interesse. »Es gab keine direkte Drohung gegen sie?«
»Nein, gab es nicht. Aber welcher Schurke tut schon sein Vorhaben kund, wenn er einen Zeugen abmurksen will?«
Ich wusste, was Rubella sagen würde. Selbst Petronius würde ihn darin unterstützen. »Wir können eine Überwachungsanweisung für das Mädchen herausgeben, aber wir können nicht hineinstürmen und sie rausholen. Dazu steht zu viel auf dem Spiel«, warnte Rubella unverblümt. »Bevor wir nicht die anderen identifiziert
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