Das Geheimnis des Scriptors
zu Aulus hinüber und hielt sich mit ihren klebrigen Fingern an seinem Knie fest. Sie hatte gesehen, dass er einen richtig großen Flusskrebs schälte. Favonia mochte nur das Beste. Aulus, seiner Meinung nach stets ein hochnäsiger Onkel, war jetzt diesen großen flehenden Augen hilflos ausgeliefert. Nux entdeckte die Schnorrerei, drängte sich schwanzwedelnd neben Favonia und fügte ihren eigenen schweigenden Druck hinzu.
Der Senator gab Julia, die sich an ihn geschmiegt hatte und so tat, als benähme sie sich viel besser als ihre kleine Schwester, eine weitere Garnele. »Ich weiß, dass du heute Abend nicht über Arbeit reden willst, aber sprich irgendwann mit Quintus. Ein Mann war bei ihm. Quintus wird es dir erzählen.«
Das konnte warten. Es musste warten. Plötzlich schlugen die Flammen hoch. Ich hatte eine Krise mit meinem Fisch zu bewältigen.
Später, als wir uns im Sternenlicht verabschiedeten, konnte ich Justinus rasch beiseiteziehen. Der Senator überwachte mit seinem Kutscher das Packen. Helena beschwichtigte ein schläfriges, quengelndes Kind. Aulus musste seine Mutter beruhigen, die eindeutig zu viel Rotwein getrunken hatte und weinerlich darüber wurde, ihren Sohn morgen zu verlieren.
»Quintus! Ich höre, du hast mir etwas zu sagen.«
Camillus Justinus war schlanker und besser rasiert als sein älterer Bruder, ein ruhiger und gefestigter junger Mann an der Oberfläche, doch ich wusste, dass er auch eine andere Seite hatte. Er lebte zu Hause bei seinen Eltern mit seiner ernsten Frau und seinem neugeborenen Sohn, hatte jedoch Abenteuer in fernen Landen hinter sich. Zu viele, meiner Meinung nach.
Er lehnte sich an meine Schulter. Um kein Leergut mitnehmen zu müssen, hatte er dafür gesorgt, dass die Amphore ausgetrunken wurde. »Ein schöner Abend! Ein wundervolles Abschiedsfest für Aulus. Hupps!« Er blähte die Backen auf und wurde rasch nüchtern. »Ich hätte Claudia mitbringen sollen.«
»Du bringst Claudia nie mit. Du bist sehr ungerecht zu ihr.«
»Ja nun … Natürlich hätte sie mitkommen können. Sie entschied sich dafür, bei dem kleinen Burschen zu bleiben.« Ich wusste, woran es lag. Es hatte nichts mit dem Füttern des Säuglings oder dessen festem Tagesablauf zu tun. Claudia war einst mit Aulus verlobt gewesen. Er hatte gelernt, sich ungehobelte Bemerkungen über seine Abservierung zu verkneifen, aber sie fand die Situation unangenehm. Möglicherweise war sie inzwischen der Ansicht, den falschen Bruder gewählt zu haben, als sie Quintus heiratete. Traurig, das sagen zu müssen, aber in ihren düstersten Momenten dachte diese liebenswerte, schwermütige junge Frau vermutlich, sie hätte keinen der beiden heiraten sollen.
»Wie steht’s, Quintus?«, fragte ich vorsichtig.
»Alles in Ordnung, Marcus.«
»Das freut mich zu hören.«
»Alles in bester Ordnung.« Keiner meint so was ernst.
Quintus riss sich aus seiner kurzen Melancholie los und erstattete mir Bericht. Er war von Posidonius aufgesucht worden (ich selbst hatte Posidonius gesagt, er könne sich an uns wenden). Nachdem der schwergeprüfte Vater den Vigiles gemeldet hatte, dass Rhodope mit ihrem Liebhaber durchgebrannt war, hatte er sich unzufrieden gefühlt und beschlossen, weitere Hilfe bei uns zu suchen.
»Die Situation ist deprimierend«, sagte mein junger Partner, der jetzt auf Professionalität umgeschaltet hatte. »Er weiß, dass er wenig tun kann. Theopompus hat bereits Geld für die Hochzeit verlangt und dazu noch mehr Geld, damit sich das Paar häuslich einrichten kann.«
»Also macht er Druck – ›Sie wollen doch bestimmt nicht, dass Ihr kleines Mädchen unglücklich wird, nicht wahr, Posidonius?‹ Appelliert an seine Vaterliebe, unterstützt von unausgesprochenen Drohungen. Theopompus behauptet, sie anzubeten, während er dafür sorgt, dass der Vater weiß, was ihr wirklich angetan werden könnte.«
»Genau, Marcus. Armer Kerl. Posidonius ist bereits um eine Aussteuer und ein Essgeschirr gebeten worden und weiß, dass sich zukünftige Rechnungen häufen werden. Die Vigiles hatten ihm nur schwachen Trost zu bieten.«
»Wundert uns das?«, fragte ich verbittert.
»Wie auch immer, das Mädchen denkt, seine Träume seien in Erfüllung gegangen, aber der Vater weiß es besser. Er wird sich dem jedoch nicht einfach beugen. Er plant, nach Ostia zu kommen und nach Rhodope zu suchen, und er bringt Leute aus Rom mit, die er kennt. Eine Gruppe aus dem Emporium hat sich zusammengefunden …« Quintus
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