Das Geheimnis des Scriptors
irgendwelchen Blödsinn anzustellen. Sie betrachten die Menschen auf den Salzmarschen als seltsame Gespenster, die nur darauf warten, von dünkelhaften Stadtmenschen eins über die Rübe zu kriegen. Und die Nachtschwärmer, die auf Krawall aus sind, nehmen an, dass sie damit durchkommen.«
»Für die Mörder von Theopompus wird das vermutlich der Fall sein.«
Langsam gingen wir zu dem zusammengebrochenen Streitwagen zurück. »Wir haben niemanden, dem wir etwas anhängen können«, grummelte Petronius. »Ich würde damit nicht vor Gericht gehen wollen. Ein Verteidiger könnte anführen, Theopompus hätte sich die Blutergüsse zugezogen, als er von der Straße abkam …«
»Die aufgeschlitzten Kehlen der Pferde zu erklären könnte schwierig werden«, erinnerte ich ihn.
»Stimmt. Doch wenn wir niemanden finden, der Theopompus tatsächlich mit seinen Mördern gesehen hat, wären sie von jedem Verdacht befreit.«
»Rhodope könnte etwas gesehen haben«, unterbrach Helena.
Weder Petro noch ich wiesen sie darauf hin, dass Rhodope ebenfalls tot sein könnte. Selbst wenn sie noch lebte und die Mörder gesehen hätte, würde sie das direkt wieder in dieselbe Art von Gefahr bringen, die mich zuvor zu der Annahme veranlasst hatte, es wäre ihre Leiche, die wir hier finden würden.
Petronius sah mich an. »Mir wurde gesagt, der Vater des Mädchens sei in Ostia auf der Suche nach ihr. Gerüchtweise hieß es, er hätte seinen eigenen Schlägertrupp mitgebracht. Weißt du etwas darüber, Falco?«
Ich spielte mit dem Gedanken, es abzustreiten. Petro hielt seinen Blick weiter starr auf mich gerichtet, und so sagte ich: »Soweit ich weiß, besteht der Schlägertrupp nur aus ein paar alten Knackern, die sich einen guten Tag machen wollen.«
»Ich werde nachfragen, wo ihr Papa und seine Ausflügler letzte Nacht waren«, sagte mein alter Freund mit einem argwöhnischen Grunzen. Es klang, als wollte er ihnen durch mich eine Botschaft zukommen lassen. »Ich wette, die werden sich gegenseitig ein hieb- und stichfestes Alibi geben.«
»Das werden sie bestimmt.« Ich wollte nicht darin verwickelt werden. »Kannst du es ihnen vorwerfen, wenn sie erst mal herausfinden, dass sie von dir überprüft werden? Du weißt, dass die anderen Entführer Theopompus zum Schweigen gebracht haben«, knurrte ich. »Jemand sagte erst gestern, wenn er Aufmerksamkeit auf seine Bande lenkt, werden ihm das seine Kumpel nicht danken.«
»Wer hat das gesagt? Jemand, der mit der Bande in Zusammenhang steht?«
»Nein, nur ein Onkel von mir, dem ich zufällig begegnet bin. Wir haben bloß ganz allgemein geplaudert.«
»Ich wusste nicht, dass du hier einen Onkel hast.«
»Ich auch nicht.«
Helena trennte sich von uns und ging zur Straße zurück. Sie stand am Rand, und der frische Wind drückte ihr den Umhang gegen den Körper. Der feine blaue Stoff flatterte wie eine Zeltbahn, kämpfte gegen den bestickten schweren Saum, der hin und her schlug. Helena legte die Arme fest um sich und blickte hinaus auf das gegenüberliegende Marschland.
»Was hast du mit dem Streitwagen vor?«, fragte ich Petro, als ich mich bereitmachte, zu Helena zu gehen.
»Ihn aufs Forum zu schleppen. Ein Schild anzubringen mit der Aufschrift: ›Hat jemand gestern diese Protzkarre gesehen?‹ Dann einen Mann danebenzustellen, der Aussagen aufnimmt. Ein Gutes ist, dass man diesen Flitzer ja wohl kaum übersehen konnte.«
Ich nickte und ging zu meinem Mädchen. Ich versuchte sie zu umarmen, aber sie wandte sich von mir ab. Ihr dunkles Haar war vom Wind losgerissen worden. Sie umklammerte immer noch ihren Umhang mit einer Hand, während sie mit der anderen nach losen Haarnadeln tastete. Ich strich ihr das Haar zurück, fing die langen Strähnen mit meiner Hand auf und drückte Helena dann fest an meine Brust.
Wir dachten wohl beide an den kurzen Anblick von Rhodope und Theopompus, als sie nach Ostia hereingefahren waren – er angeberisch und kaum fähig, mit den nervösen Rappen fertig zu werden, sie kreischend vor Aufregung über den schieren Nervenkitzel, mit ihm zusammen zu sein.
Ruhiger jetzt, ließ Helenas Abwehr in meinen Armen nach. Und so waren hier schließlich für kurze Zeit doch noch zwei Liebende, die sich an diesem wilden Ort trostsuchend aneinanderklammerten.
XL
W ir beobachteten den Abtransport des Streitwagens, der zur Straße hinaufgehievt und dann an den Karren der Vigiles gehängt wurde. Die hellenistische Verzierung wirkte nun kitschig und billig auf der
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