Das Geheimnis des Scriptors
verschrammten Karosserie. Zaumzeugglöckchen klingelten verloren. Während der Abschlepparbeiten wurde auch Theopompus’ Leiche aufgeladen. Fusculus erschien. Er hatte keine Anzeichen anderer Mitfahrer gefunden.
Und so marschierten wir alle nach Ostia zurück. Ich begleitete Petro und Fusculus zur Kaserne, um zu erfahren, ob es Neuigkeiten gab. Da die Sache mit den Entführungen in Verbindung stand, hatte Rubella das Kommando übernommen. Petro schaute verärgert und wurde hinter Rubellas Rücken noch freundlicher zu mir.
»Das Mädchen lebt. Der Vater kam her«, verkündete Rubella. »Sie wurde gestern am späten Abend zu ihm zurückgebracht. Er öffnete die Tür, und sie wurde schreiend hineingestoßen, fest eingewickelt in einen Mantel. Posidonius hat sie nur aufgefangen und behauptet, nicht gesehen zu haben, wer sie gebracht hat. Sie erzählt ihm nichts.«
Wir hörten zu. Wir waren alle müde, vom Wind zerzaust und niedergeschlagen. Rubella hatte bloß in der Kaserne herumgesessen und die Beweise zu sich kommen lassen. Jetzt waren wir bereit, ihm die Initiative zu überlassen. »Jemand muss die Tochter befragen. Petronius Longus, können Sie Ihre Frau herbringen? Das Mädchen könnte eingeschüchtert sein. Ich glaube, wir sollten es mit einer freundlichen Annäherung und einer weiblichen Begleitung versuchen.«
»Helena Justina kennt Rhodope«, schlug ich vor. »Helena ist bereits hier und wartet auf mich.« Petro zuckte mit den Schultern, ihm war es egal. Rubella ließ sich darauf ein.
Fusculus saß mit Posidonius vor dem Verhörraum. Falls sich aus dem Vater noch was rausholen ließ, würde das Fusculus mit seiner unbekümmerten Art am besten gelingen.
Wir führten Rhodope hinein und ließen sie auf einem Hocker Platz nehmen. Sie blickte trotzig und verschlossen. Helena versuchte sie zu beruhigen, aber sie blieb mürrisch. Entweder war sie zum Schweigen verdonnert worden, oder sie hasste inzwischen einfach alle. Sie hatte keinesfalls die Absicht, uns zu helfen.
Petronius, ruhig und unaufdringlich, stellte sich vor und sagte, er müsse ihr leider mitteilen, dass wir ihren Liebhaber tot aufgefunden hätten. Er deutete zunächst an, dass er es für einen Fahrunfall gehalten hatte, und ging dann sanft dazu über, ihr zu eröffnen, dass Theopompus ermordet worden sei. Keine Reaktion.
Rubella brachte seine Autorität ins Spiel und versuchte es auf die harte Tour, hatte aber ebenfalls kein Glück. Sie teilten Rhodope mit, sie könne in Gefahr sein, was ihr eindeutig egal war.
»Ich weiß überhaupt nichts davon.« Das wiederholte sie ständig.
Nun beschloss Rubella, die wirklich harte Tour anzuwenden. Er packte Rhodope am Arm und marschierte mit ihr zu dem Raum, in dem die Vigiles die grün und blau geschlagene Leiche ihres Liebhabers abgeladen hatten. Barsch befahl er ihr, hinzuschauen. Zu ihren Gunsten musste man sagen, dass es ihr gelang, nicht zu schreien oder zusammenzubrechen, obwohl sie noch nie die Leiche eines Ermordeten gesehen haben konnte. Tränen, die sie nicht zurückzuhalten vermochte, liefen ihr über die Wangen, und doch riss sie sich zusammen, als wollte sie uns trotzen. Sie hatte alles verloren. Nichts konnte sie mehr treffen. Steif stand sie da und blickte auf Theopompus hinunter. All ihre großartigen Hoffnungen waren zerstört. Das hier war ein sehr junges Mädchen, das fast ohne eigenes Zutun völlig überfordert worden war. Wir fühlten uns schäbig, ihr so zuzusetzen.
Ihr Vater erschien an der Tür. Entsetzt wich Posidonius vor der Leiche zurück und nahm seine Tochter in die Arme. Er schirmte sie vor uns ab.
Helena war wütend auf Rubella und teilte ihm in scharfen Worten mit, was sie von ihm hielt. Schließlich mussten die Vigiles Rhodope gehen lassen.
Es kam zu einer kurzen Koda. Helena kümmerte sich um Rhodope, während ihr Vater erneut von Rubella verhört wurde und Fragen über seine Truppe beantworten musste. Posidonius sagte aus, seine Freunde, einschließlich Geminus, befänden sich unten beim Hafen. Rubella schickte Männer los, um sie zu holen. Ich blieb vorsichtshalber noch da, falls ich meinen Vater auslösen musste. Das war mehr, als er von mir verdient hatte, und meine Stimmung verdüsterte sich.
Posidonius und sein trauerndes Kind waren gegangen. Helena kam zu Rubella.
»Tribun, es ist mir gelungen, etwas aus Rhodope herauszuholen, während Sie mit ihrem Vater gesprochen haben.« Falls Rubella verärgert war, zwang er sich, das zu verbergen. Er brauchte die
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