Das Geheimnis des Scriptors
Einzelheiten. Helena berichtete kühl: »Das Paar war in einem Raum in der Nähe des Tempels der Isis untergekommen. Gestern Abend erschienen plötzlich Männer und sagten ihnen, sie müssten sich trennen. Theopompus wurde geschlagen, um ihn zum Schweigen zu bringen, dann wurde er aus dem Haus gezerrt. Er muss gewusst haben, was ihm bevorstand. Rhodope wurde nur eilig fortgeschafft und unversehrt ihrem Vater übergeben.«
»Nun, das wussten wir bereits«, sagte Rubella, der sie loswerden wollte.
Helena fuhr beharrlich fort: »Folgendes wissen Sie aber nicht. Rhodope sagte, dass Theopompus die Männer kannte, die ihn mitnahmen.«
»Also waren es nicht die Freunde ihres Vaters aus Rom?«
»Das müssen Sie entscheiden«, erwiderte Helena ruhig.
Auch wenn Rhodopes Aussage die Emporium-Kumpel entlastet hatte, behielt Rubella sie ziemlich lange im Verhörraum. Sie waren grummelnd und aufsässig vorgeführt worden. Er selbst verhörte sie einzeln. Man hätte es gründlich und ausgiebig nennen können – oder reine Schikane.
Mir war nicht gestattet, bei den Verhören dabei zu sein, aber ich belauschte sie von draußen. Sie sagten alle dasselbe. Männer im Alter und vom Temperament meines Vaters wissen, wie man sich ein Alibi verschafft.
Laut Papa, der als Letzter verhört wurde, war alles völlig unschuldig. »Wir konnten den Drecksack nicht finden, und das ist eine Tatsache.«
»Was hätten Sie mit ihm gemacht, wenn Sie ihn erwischt hätten?«, fragte Rubella sarkastisch.
»Ihm erklärt, er solle sich woanders nach Liebe umschauen«, erwiderte Papa höhnisch. »Posidonius war bereit, ihm ein dickes Schmiergeld zu zahlen – obwohl wir das für einen großen Fehler hielten.«
»So dumm können Sie doch gar nicht sein. Sie hätten alle in den Salinen zu Tode geprügelt werden können!«, brüllte Rubella hochtrabend.
»Ist es das, was mit dem Jungen passiert ist?«, fragte Papa kleinlaut. »Gar nicht nett!« Dann hörte ich, wie der Ton meines Vaters härter wurde. »Wir waren das nicht – und das beweist es: Wir hätten die Leiche nirgends liegenlassen, wo eine Bande neugieriger Passanten sie sofort finden würde.«
Das ergab einen gewissen Sinn.
Rubella warf ihn raus. Als wir aus der Kaserne spazierten, hörte ich Rubella gereizt befehlen: »Treibt die üblichen Verdächtigen zusammen!«
»Tribun, wir sind erst seit den Iden hier«, protestierte Fusculus. Inzwischen dämmerte es bereits, und keiner, der draußen bei den Salinen gewesen war, hatte ein Mittagessen gehabt. »Wir sind die neuen Jungs und kennen uns in Ostia nicht aus.«
»Die Kilikier«, klärte Rubella ihn auf. »Sie finden ihre Namen alle auf der Überwachungsliste für ›kilikische Piraten‹.«
Also gab es eine Liste. Und Rubella hatte gerade bestätigt, dass die Vigiles die Kilikier immer noch verdächtigten, mit Piraterie zu tun zu haben.
XLI
G ern wäre ich bei der Razzia dabei gewesen, aber ich hatte das Nächstbeste – Petronius würde mir später davon erzählen. Ich ging zum Abendessen in sein Haus.
Als ich eintraf, nachdem ich meine Familie eingesammelt hatte, war Papa ebenfalls da. Er hatte beschlossen, dort einzuziehen und Maia und Petro mit seiner Anwesenheit zu beglücken. Posidonius’ andere Freunde würden nach Rom zurückkehren, da ihre Aufgabe erledigt war – oder sich zumindest durch den Angriff auf Theopompus erübrigt hatte.
Maia war ein wenig aus der Fassung wegen des plötzlichen Zustroms. Es war ihr peinlich, weil Privatus, dem das Haus ja gehörte, ebenfalls zu Besuch gekommen war. Sie konnte kaum etwas dagegen einwenden, wenn er die Aufstellung seiner neuen Statue überprüfen wollte – der pinkelnde Dionysos, jetzt auf einer neuen Plinthe in einem Gartenteich –, doch obwohl Privatus ihnen immer versicherte, sie könnten sich hier wie zu Hause fühlen, und sie drängte, so viele Gäste einzuladen, wie sie wollten, teilte Maia meine Abneigung dagegen, sich allzu verpflichtet zu fühlen.
»Wir könnten alle zum Essen ausgehen …«
»Nein, werden wir nicht«, entschied Papa. »Soll uns dieser Baulöwe doch verpflegen!« Er hatte sich noch nicht von dem Bau seines neuen Badehauses erholt. Mich überraschte nur, dass er nicht sofort all die anderen Freunde von Posidonius einlud, sich noch einmal zu stärken, bevor sie nach Rom aufbrachen. Er hätte es getan, wenn er daran gedacht hätte. Ich zwinkerte Maia zu und verwickelte den Baulöwen als Höflichkeitsgeste selbst in ein Gespräch. Mir fiel
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