Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Kutscher schnalzten mit der Zunge und trieben die Tiere an, die in der Menge zauderten. Menschen liefen mit Fässern und Kisten auf die Schiffe zu und ihnen kamen andere mit der Fracht aus fremden Ländern entgegen.
Ein Pferd trippelte dicht an ihnen vorbei. An seinen Rücken war ein dicker Baumstamm gebunden, den es zur Werft hinüberschleifte.
Nik blieb stehen. »Aber welcher Gilde gehören sie an? Den Tuchmachern?« Er kratzte sich am Hinterkopf. Hatten die Männer in dem Keller nicht noch andere Gegenstände erwähnt?
»Sie haben doch auch von Spiegeln und Gläsern geredet«, erinnerte ihn Benthe.
»Was ist das nur für eine Gilde, wenn die Handwerker unterschiedliche Berufe haben?« Nik kannte sich mit den Handwerkern der Stadt und ihren Gesetzen und Traditionen nicht besonders gut aus. Sein Vater hatte nur selten mit den Schiffsbauern in den Werften zu tun gehabt und verkehrte sonst nur mit Kaufleuten. Hatten sich in der Gilde um Heinrich und Gustav verschiedene Handwerker zusammengetan, die ein gemeinsames Ziel verfolgten? »Irgendetwas verbindet die Männer in dieser geheimen Gilde. Wenn ich nur wüsste, was es ist …«
Eine alte Frau in einem Flickenkleid blieb neben ihm stehen. »Sag das nicht so laut, Bursche«, riet sie ihm lächelnd und entblößte ihre braunen Zähne. Sie zeigte auf zwei Männer in Kutten, die wenige Schritte von ihnen entfernt standen und sich mit einem Uniformierten von der Stadtwache unterhielten. »Die Mauern haben Ohren und man plaudert besser keine Geheimnisse im Hafen aus.« Sie drehte sich um und verschwand zwischen den Leuten.
Benthe und Nik sahen sich an.
»Geheimnisse?«, fragte Benthe.
Nik stellte sich auf die Zehenspitzen, doch er konnte die Frau zwischen den vielen Menschen nicht mehr entdecken.
»Ob das eine Kräuterhexe war?«
Benthe nickte. »Bestimmt.«
Nik schüttelte den Kopf. »In dieser Stadt verbirgt sich mehr, als auf den ersten Blick zu erkennen ist.«
Benthe lachte. »Ist dir das heute erst aufgefallen?«
Nik ging hastig weiter, damit Benthe nicht sah, wie rot er auf einmal geworden war.
Schweigend durchquerten sie den Hafen und gingen am Fluss entlang. Als sie an der Mageren Brug ankamen, blieben sie stehen. Im hellen Tageslicht leuchteten die weißen Balken. Menschen und Fuhrwerke drängten sich geschäftig über die Brücke.
»Aus welcher Straße bin ich gekommen?«, fragte Nik.
Benthe zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich bin einfach die Gassen auf und ab gelaufen und irgendwann warst du da.« Sie zeigte auf den Brückenpfeiler.
Nik schloss die Augen. »Ich denke, ich bin von der rechten Seite gekommen.«
Sie gingen von der Brücke ein Stück an der Amstel entlang und bogen in die nächste Straße ab. Es war die Keysersgracht. Aber keines der Häuser schien dem zu gleichen, in dessen Keller sich Nik vergangene Nacht versteckt hatte.
»Erkennst du eines der Häuser wieder?«, fragte Benthe.
Nik schüttelte den Kopf. »Ich bin einfach losgelaufen und wusste nicht, ob die Männer mir folgen. Wenn ich Geräusche gehört habe, bin ich schnell um eine Ecke gerannt, ohne darauf zu achten, welche Straße es war.« Er sah noch einmal in alle Richtungen und hob dann resigniert die Schultern. »Ich weiß es nicht.«
Sie drehten an der nächsten Brücke um und gingen auf der anderen Straßenseite zurück. Von der Mageren Brug aus versuchten sie es in die andere Richtung und gingen durch die Princengracht bis zur nächsten Brücke und wieder zurück. Daraufhin wanderten sie durch die Kerkstraat. Nik blieb stehen und sah sich die Häuser genauer an.
»Ich bin mehrmals abgebogen. Wahrscheinlich war es in einer Seitenstraße. Da können wir ewig suchen.«
»Aber du hast doch gesagt, das Haus lag am Kanal«, wandte Benthe ein.
»Stimmt. Da bin ich mir sicher«, bestätigte Nik.
»Vielleicht finden wir es in der nächsten Straße«, sagte Benthe und klang fast unbekümmert. Aber ihre Hände verrieten sie. Ungeduldig wickelte sie Haarsträhnen um ihre Zeigefinger.
Dankbar betrachtete Nik sie von der Seite. Niemand vertraute ihm so bedenkenlos wie Benthe, und niemand unterstützte ihn so bei dem, was ihm wichtig war, ohne eine Frage zu stellen. Ohne sie hätte er die vergangenen Monate nicht überstanden und auch jetzt behielt sie ihre Zweifel für sich und half ihm bei seiner Suche.
Sie gingen zurück zur Mageren Brug und schlugen wieder und wieder einen anderen Weg ein.
»Conrad, Gustav, Heinrich«, murmelte Benthe im Rhythmus ihrer
Weitere Kostenlose Bücher