Das Geheimnis des Spiegelmachers (German Edition)
Schritte, als sie über ein besonders löchriges Pflaster stolperten.
Nik hatte es satt, ziellos in der Stadt herumzulaufen. Er schämte sich, weil er das Haus einfach nicht finden konnte und Benthe durch dieses furchtbare Viertel trieb. Das Wasser in den Kanälen war braun und der Gestank machte ihn krank. In diesem Teil der Stadt waren noch keine Schleusen errichtet, um die Wasserstraßen in der Nacht mit frischem Wasser zu fluten.
Die Gassen wurden immer enger und waren mit dem Dreck der Pferde und Ziegen gesäumt, die in den Innenhöfen gehalten wurden. Nik dachte an die Bücher in seinem Zimmer und die Helden, die in der weiten Welt unterwegs waren, um ferne Sprachen zu hören und unbekannte Gewürze und Heilkräuter zu entdecken. In seinem muffigen Zuhause erlebte keiner ein Abenteuer und erfuhr auch nichts über geheimnisvolle Gilden und Vereinigungen. Er fluchte.
Nik wollte der quälenden Enge der Stadt entrinnen und vom Dach seines Hauses auf den Hafen und den Horizont sehen, um nachzudenken und auf neue Ideen zu kommen. Hier unten in den Straßen war ihm das nicht möglich. Er biss die Zähne zusammen und ging langsam weiter.
Als sie über den Dächern die Spitzen der Windmühlen sahen, bogen sie in eine schmale Straße an der Achtergracht.Nach den Lagerhäusern kreuzten kleine Gassen ihren Weg. Nik blieb an den Häuserecken kurz stehen und sah an den gemauerten Fronten entlang, auf der Suche nach einem vertrauten Eingang. Bevor sie auf die Reguliersgracht stießen, drehte er sich um und betrachtete die Wohnhäuser am anderen Ufer.
Benthe trat neben ihn. »War es eine braune Holztür oder vielleicht eine blaue?«
Nik zuckte mit den Schultern. Er konnte sich einfach nicht erinnern. Es war zum Verzweifeln.
»Warte«, sagte er dann. »Es waren drei oder vier Stufen zur Haustür hinauf. Die Laterne stand ein paar Schritte neben dem Eingang.«
Bis zur nächsten Ecke war es nicht mehr weit. Die Straße war breit genug für Kutschen. Nik kniff die Augen zusammen und versuchte, sich den Ort im Dunkeln vorzustellen.
Dann nahm er Benthes Hand und lief mit ihr weiter bis zu einer Eiche. Auf dem Wasser paddelte langsam ein Fischer vorbei. An der nächsten Brücke fuhr ein Floß mit Holzstämmen. Es war nicht die Gegend der Kaufleute, sondern der reichen Handwerker. Ein kleines offenes Boot war am Ufer vertäut, und eine Kutsche stand neben der Treppe, die zur Haustür hinaufführte. Das Pferd verharrte unbeweglich in seinem Geschirr, während dem Kutscher, der auf dem Bock saß, der Kopf auf die Brust gesunken war.
»Ist es dieses Haus?«, flüsterte Benthe aufgeregt.
Er nickte. Das musste es sein! Ganz in der Nähe war eine Laterne und das Pflaster war in dieser Straße besonders gleichmäßig verlegt. Das passte ebenfalls, da Nik auf seiner Flucht nicht ein Mal ins Straucheln gekommen war. Die beiden hockten sich hinter die Eiche und beobachteten das Haus. Nach einer kleinen Ewigkeit läuteten die Glocken der Suyder Kerck. Benthe blickte ihn an, sagte aber nichts.
Nik sah immer wieder die Straße auf und ab. Waren sie wirklich vor dem richtigen Haus?
Ein Karren mit Holz rumpelte quälend langsam an ihnen vorbei und ein Stoffhändler paddelte träge den Kanal entlang.
In dem Moment schlug weit über ihnen ein Dachfenster scheppernd zu. Das Pferd vor der Kutsche scheute und wich ein paar Schritte zurück. Der Wagen ruckte und der Fuhrmann schrak aus seinem Schläfchen auf. Er griff nach den Leinen und sprach beruhigend auf das Pferd ein.
Benthe stieß Nik in die Seite und zeigte auf die Räder des Wagens. Er beugte sich nach vorn und entdeckte, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Hinter der Kutsche war ein kleines Fenster zum Vorschein gekommen. Es war mit Brettern zugenagelt und davor lagen glitzernde Reste der Glasscheibe. Nik jauchzte leise. Sie hatten das richtige Haus gefunden.Benthe klopfte ihm fröhlich auf die Schulter. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis jemand das Haus betrat oder verließ, der ihnen einen Hinweis darauf geben würde, welche Verbindung zu der geheimnisvollen Gilde bestand. Vielleicht waren die Männer mit den Kapuzen sogar noch bei dem reichen Handwerker zu Gast.
Doch die Sonne war schon hinter den Häusern untergegangen, als die Tür des Hauses endlich geöffnet wurde. Ein Mann mit schmalen Schultern kam die Treppe hinunter und kletterte in die Kutsche.
»Ist das einer von ihnen?«, flüsterte Benthe.
Regungslos verharrte Nik hinter dem Baum, bis die Kutsche sich in
Weitere Kostenlose Bücher