Das Geheimnis des Templers - Collector's Pack
Templer von Bar-sur-Aube aufsah, als ob sie von ihm
die himmlische Erlösung erwartete.
Francesco hing wie leblos
und lediglich mit einer zerrissenen Unterhose am Leib an dem schräg gestellten Holzbrett
wie Jesus am Kreuz. Dunkel verfärbte Striemen überzogen seinen flachen Bauch, und münzgroße
Brandmale umkreisten seine Brustwarzen wie ein grausiger Reigen. Die Lippen, ausgetrocknet
und blutverkrustet, waren dem unverwechselbaren Lachen mit den leuchtend weißen Zähnen so
fern wie nie zuvor.
Wie durch einen Nebel nahm
Henri d’Our die nicht weniger vornehm gekleidete, ältere Frau wahr. Da sie offensichtlich
in Ohnmacht gefallen war, hatte man sie auf eine schmuddelige Matratze gebettet |10| und ihr Haupt von
dem straffen Gebende befreit, das Frauen ihres Alters gewöhnlich trugen. Die dunklen,
silberdurchwirkten Locken und der olivfarbene Teint ließen auf Francescos Mutter, die
Gräfin de Salazar, schließen. Ein Schauer überlief den Komtur bei dem Gedanken, dass die
Inquisition nicht einmal vor verängstigten Angehörigen Halt machte, um ihre Opfer zu einer
gefälligen Aussage zu zwingen.
Vornehmlich Frauen,
getrieben von der Sorge um ihre Söhne und Brüder, wurden in die Verliese vorgeladen, um die
bis dahin standhaften Ritterbrüder zu einem belastenden Geständnis gegen den Orden zu
bewegen. Nogaret und seine Leute wussten darum, dass die gefangenen Templer die eigene
Folter bis hin zum Tod ertrugen, nicht aber das Weinen und die Schreie der Frauen, die
dabei zuschauen mussten.
Neben der Gräfin stand ein
Medicus. Er verkehrte regelmäßig an diesem Ort des Leidens, und in seinem langen schwarzen
Gewand nährte er in d’Our die Vorstellung von einem allgegenwärtigen Todesengel. Doch dann
bemerkte der Komtur die Anwesenheit von jemandem, bei dem diese Bezeichnung noch passender
gewesen wäre: Guillaume Imbert, Großinquisitor, Bischof von Paris und persönlicher
Beichtvater Philipps IV. und zudem unseliger Verbündeter Guillaume de Nogarets.
»So sieht man sich wieder«,
sagte der Mann im schwarzgrauen Surcot leise. Mit einem arroganten Lächeln entblößte er
seine scharfkantigen Zähne, derweil er nervös an seinem weißen Spitzenkragen zupfte.
Der dickbäuchige
Foltergehilfe hatte den Komtur von Bar-sur-Aube inzwischen auf dem Boden abgesetzt und an
eine hölzerne Kiste gelehnt. Die Gliedmaßen in Ketten geschmiedet, das Genick steif wie ein
Stock, traf d’Our von oben herab der vermeintlich mitleidige Blick seines Peinigers.
»Nun ja«, resümierte Imbert
in spöttischem Tonfall, »Wenn Ihr Euren Hochmut überwinden könnt und endlich eine
vernünftige Aussage für mich bereithaltet …«, beiläufig blickte er auf Francesco, »seid Ihr
es vielleicht, der das Leben dieses Jungen zu retten vermag …«
Francescos Schwester hatte
die Bemerkungen des Inquisitors mit weit geöffneten Augen verfolgt, und nun sprang sie auf
und warf sich vor d’Our in den Schmutz, das Gesicht zwischen ihren ausgestreckten Armen
unter einer Flut von herabfallenden Locken verborgen.
|11| »Edler Mann«, klagte sie schluchzend, »was
immer man von Euch wissen will, kann nicht so geheim sein, dass man dafür auch nur ein
Menschenleben opfert! Ich flehe Euch an!«
Während ihr Körper von
heftigen Weinkrämpfen geschüttelt wurde, blickte d’Our anklagend zu Imbert, der teuflisch
grinsend neben ihr stand und damit seine tiefe Befriedigung anstandslos zur Schau stellte.
Der Komtur der Templer von
Bar-sur-Aube würde es nicht über sich bringen, seinen Schützling zu opfern, schon gar nicht
vor den Augen von Mutter und Schwester.
Ein Schatten bewegte sich
hinter Imbert und räusperte sich verhalten. Es war der Medicus, der die Szene mit großem
Interesse verfolgt hatte.
Imberts Augenmerk schnellte
zwischen der reglos daliegenden Gräfin und dem neugierig dreinblickenden Arzt hin und
her.
»Habt Ihr nicht gesagt, die
Frau kommt wieder zu sich?«
Der Medicus nickte
willfährig.
»Gut. Dann könnt Ihr fürs
Erste verschwinden. Aber haltet Euch bereit, wie immer, falls ich Euch rufen lasse.«
Mit einem enttäuschten Zug
um den Mund und einer unterwürfigen Verbeugung entfernte sich die schwarze Gestalt ebenso
eilig, wie sie erschienen war.
Imbert wandte sich um und
holte unter einem an der Wand stehenden, hölzernen Schreibpult einen unscheinbaren
Leinensack hervor. Mit lauerndem Blick brachte er einen
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