Das Geheimnis des Templers - Episode II: Im Namen Gottes (German Edition)
entlangschritten, stieß er einen Seufzer aus und warf einen Seitenblick auf Lissy, die von seinen Grübeleien nichts zu spüren schien. Eingehüllt in einen nachtblauen Mantel, der ihre kleine, grazile Gestalt umschmeichelte, sah sie mit ihrem gewölbten Leib erst recht bezaubernd aus. Wie üblich zog ihr anmutiges Äußeres die bewundernden Blicke der meisten männlichen Festungsbewohner auf sich. Lissy trug ihr hüftlanges, kastanienfarbenes Haar nur von einem Goldreif gehalten, wie es bei einer Jungfrau üblich war. Doch schon morgen würde sie das Gebende eines verheirateten Weibes anlegen.
Ein Zustand, dem sie regelrecht entgegenfieberte, weil sie endlich zur Gilde der Eheweiber gehören wollte. Gero hingegen hätte es besser gefallen, wenn sie das Mädchen geblieben wäre, das sie einst gewesen war. Einerseits hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als sie zum Altar zu führen, um endlich eine Familie gründen zu können, andererseits erschien ihm mit einem Mal alles zu übereilt, und die Umstände hätten nicht misslicher sein können.
Lissy nahm von seiner Aufmerksamkeit ihr gegenüber keine Notiz. Offenbar war sie noch ganz gefangen von den Worten des Kaplans, der in der traditionellen Mitternachtsmesse zum 1. Januar von einem Neuanfang gesprochen hatte und damit nicht nur den Jahreswechsel gemeint hatte. Im Verlauf seiner Predigt, die auf Wunsch der Gräfin in deutscher Sprache gehalten worden war und nicht in Latein, wie es allgemein der Vorschrift entsprach, hatte er die morgige Hochzeit erwähnt, die Gero und Elisabeth auf ewig miteinander verbinden würde. Hingegen war kein einziges Wort über den möglichen Konflikt mit Geros Vater gefallen, obwohl sich die Wachen für jeden ersichtlich in Alarmbereitschaft befanden. Wahrscheinlich war auch dieser Umstand Margaretha zu verdanken gewesen, weil sie dem ehrwürdigen Kaplan gewissermaßen einen Maulkorb angelegt hatte. Augenscheinlich wollte sie Elisabeth nicht mit der Überlegung beunruhigen, dass die Verweigerung ihrer Herausgabe eine blutige Fehde zwischen den Waldensteinern und den Breydenbachern provozieren könnte.
Geros Blick fiel noch einmal auf die unübersehbare Wölbung, die sich unter Lissys Gewand abzeichnete. Sie verdeutlichte ihm, dass sie sich nicht nur wegen eines möglichen Angriffs durch seinen Vater mit ihrer Heirat beeilen mussten, sondern auch, damit das Kind in jedem Fall ehelich geboren wurde. Ein wichtiger Umstand, wenn es ein Junge wurde und er später einmal in den Ritterstand eintreten sollte. Doch was wäre, wenn sein Vater Elisabeth offiziell als Tochter verstoßen würde? Schließlich war sie nur an Kindes statt angenommen und wäre dann nicht mehr von Stand.
Seine Tante, die seinen sorgenvollen Blick bemerkt hatte, gab sich betont gelassen, als sie an seiner Seite erschien, und spielte mit ihrem durchscheinenden Seidenschleier, den sie über dem hellblauen Gebende trug.
„In meiner Jugend haben wir den Jahresbeginn immer erst zu Maria Verkündigung am 25. März eingeläutet“, wusste die Gräfin zu berichten, während sie umringt von einem Pulk schwatzender Festungsbewohner die Kapelle verließen. Draußen vor dem Portal angekommen, zwinkerte sie Gero wissend zu. „Ich erinnere mich noch genau, wie stolz deine Mutter war, dass du genau zum Jahresbeginn geboren wurdest“, erklärte sie leicht wehmütig. „Es dauert gar nicht mehr lange, dann ist es wieder so weit und der Tag deiner Geburt jährt sich. Dann bist du einundzwanzig, und ich hoffe, dass mir spätestens bis dahin die Urkunde des Herzogs vorliegt, mit der ich dich an Sohnes statt annehmen kann, und auch, dass deiner Grafenwürde dann nichts mehr im Wege steht.“ Margarethas Blick glitt zu Elisabeth, die sich verliebt an Gero schmiegte.
„Ja, schau ihn dir nur gut genug an, mein Kind“, fügte Margaretha scherzend hinzu, als sie weiter auf den verschneiten Burghof hinaustraten. „Bereits morgen wird er dein Gemahl sein, und du wirst dich – so Gott will – bald als Gräfin bezeichnen dürfen. Ich hoffe, du bist dir dieser Ehre bewusst, und auch eure Kinder werden dann einer glanzvollen Zukunft entgegensehen.“
Lissy strich sich unwillkürlich über den Leib und schenkte Gero einen erwartungsfrohen Blick, der ihre ganze Bewunderung für ihn verriet. Er konnte es ja selbst kaum glauben, dass ihm ein solcher Aufstieg bevorstehen sollte. Wobei er von Lissy wusste, dass sie seinem Stand weit weniger Bedeutung beimaß als er selbst. Wenn es nach
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