Das Geheimnis des Templers - Episode V: Tödlicher Verrat (German Edition)
war er nur so dämlich gewesen, Hugo den Rücken zu kehren? Der Kerl war schlimmer als ein Mameluke, was im Nachhinein nicht verwunderlich schien, hatte er doch viele Jahre in deren Gesellschaft zugebracht. Kaum, dass er sich wankend auf die Füße gekämpft hatte und an die Gitterstäbe seines Verlieses herangetreten war, um nach den Wachen Ausschau zu halten, hörte er Stimmen. Zwei englische Kameraden im weißen Mantel, die Gero nur vom Sehen kannte, weil sie noch nicht lange auf der Festung waren, machten vor seiner Zelle halt. Nachdem sie die eiserne Tür aufgeschlossen hatten, forderten sie ihn auf, herauszutreten, wobei sie auf eine Fesselung verzichteten. Weglaufen konnte er ja ohnehin nicht. Gemeinsam eskortierten ihn die beiden eine schmale Treppe hinauf bis auf den Festungshof. Draußen war es schon dunkel. Also musste er stundenlang in einer Art Dämmerschlaf zugebracht haben.
„Wo führt ihr mich hin?“, fragte er ohne Aussicht auf eine vernünftige Antwort.
„Zum Ordensmarschall“, erwiderte einer von beiden zu Geros Überraschung. Hoffnung keimte in ihm auf. Er hatte Bartholomäus de Chinsi bisher als einen gerechten und vorbildlichen Vorgesetzten erlebt, vielleicht würde er ja mit sich reden lassen. Während sie über den Hof marschierten, sah er an sich herunter. Er sah furchtbar aus. Ungewaschen, immer noch mit Blut befleckt. Er hatte gehofft, wenigstens die Gelegenheit zu bekommen, sich ein sauberes Ordensgewand anzuziehen.
Die Kammer des Ordensmarschalls lag im zweiten Stock des Nordturms und war kaum weniger spartanisch eingerichtet als das Dormitorium der Ritter.
Zu seiner Verwunderung trug de Chinsi keine Chlamys, sondern einen bequemen Haushabit, den die Brüder bevorzugten, wenn sie keinen offiziellen Verpflichtungen nachgingen. Das bedeutete also, ihre Unterredung würde einen eher privaten Charakter haben.
Trotz seines jämmerlichen Aufzuges nahm Gero vor seinem Ordensmarschall Haltung an und grüßte ihn standesgemäß. „Gott sei mit Euch, Beau Seigneur!“ Gehorsam senkte er den Blick.
„Lasst mich mit ihm allein“, befahl de Chinsi seinen Begleitern. Unmittelbar nachdem die beiden Männer den Raum verlassen und die eisenbeschlagene Tür hinter sich geschlossen hatten, begann de Chinsi mit seiner Strafpredigt.
„Was habt Ihr Euch nur dabei gedacht, Bruder Gerard, Euren Kommandeur-Leutnant anzugreifen?“ Dass der Ordensmarschall ihn mit einem respektvollen „Ihr“ anredete, wertete Gero als gutes Zeichen. „Und das alles nur wegen einer einfachen Magd.“
„Beau Seigneur“, erwiderte Gerard mit gesenktem Blick. „Habe ich die Erlaubnis zu sprechen?“
„Allerdings habt Ihr die“, bekräftige de Chinsi und nickte so heftig mit seinem glatzköpfigen Haupt, dass sein schwarzgelockter Bart eigentümlich auf seine breite Brust wippte. „Ich will wissen, warum einer meiner tapfersten Ritter in solcher Art gegen die Regeln verstößt. Und das ausgerechnet für eine Frau, die unter dem Verdacht steht, unseren Orden auf übelste Weise verraten zu haben.“
„Mit Verlaub, Seigneur, das hat sie mit Gewissheit nicht getan“, erklärte er mit fester Stimme.
De Chinsi hob eine Braue. „Wie in Gottes Namen darf ich das verstehen?“
Gero überlegte fieberhaft, was er de Chinsi erklären konnte und was nicht. „Ich bin ihr bereits auf Zypern begegnet. Ihre Mutter hat ebenfalls für den Orden gewaschen“, verschleierte er ihre Bekanntschaft. „Sie ist leider vor einer Weile verstorben.“
„Wenn sie tot ist“, bemerkte de Chinsi verwirrt, „was habt Ihr dann mit ihrer Tochter zu schaffen?“
Gero betete zur Heiligen Jungfrau, dass de Chinsi nicht auf die Idee kam, Warda ebenfalls holen zu lassen. Ihr atemberaubendes Aussehen, trotz ihres Alters und ihres erbärmlichen Zustands, hätte sicherlich nicht Geros Tugenden untermauert. Glücklicherweise war de Chinsi zu sehr mit sich und seinem Kriegshandwerk beschäftigt, als dass ihm Schönheiten wie Warda ins Auge gestochen wären.
„Nichts weiter“, log Gero. „Vor unserer Abreise aus Famagusta war sie offenbar in Not geraten“, fuhr er fort und bekreuzigte sich innerlich ob dieser Lüge. „Weil ihre Mutter für den Orden arbeitete und ich die Tochter daher vom Sehen kannte, habe ich sie mehr zufällig an unserem letzten Abend in Famagusta aus den Händen eines Unholdes gerettet. Sie hat sich bei mir bedankt und mir in ihrer Aufregung ein wenig von sich erzählt. Dabei machte sie nicht den Eindruck einer
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