Das Geheimnis des Templers - Episode V: Tödlicher Verrat (German Edition)
über eine abenteuerliche Holzleiter zur ersten Plattform hinauf, wo sie sich die Strohsäcke zurechtschüttelten und naserümpfend die verfilzten Decken inspizierten. Noch ein Stockwerk höher befand sich die Aussichtsplattform, von der man bei klarer Sicht bis tief ins syrische Landesinnere schauen konnte. Doch im Moment war gar nichts zu sehen. Eine Tatsache, die nicht nur bei Gero ein mulmiges Gefühl hinterließ.
Ansonsten war der Dienst auf dem Wachturm eher langweilig. Wie die übrigen Ritter auf den restlichen Türmen – insgesamt gab es vier davon auf der Insel – vertrieben sie sich die Zeit mit Brettspielen und Beten, das Einzige, was ihrem tristen Arbeitsalltag eine halbwegs klare Struktur gab. Was den Ausguck betraf, so wechselten sie sich zu zweit ab.
Gero tat seinen Dienst mit Struan, der wie üblich recht einsilbig war und höchstens ein bisschen von seiner schottischen Heimat erzählte, in der es angeblich nicht selten genauso neblig war wie in diesen Tagen auf Antarados. Ihr Dienst dauerte bis zum Morgen, und als der Tag anbrach, hatte sich der Nebel, der Heiligen Jungfrau sei Dank, ein bisschen gelichtet. Am Firmament zeichnete sich eine erste, zarte Morgenröte ab, als gegen fünf Uhr in der Früh die interne Ablösung erfolgte, die ihnen durch das Glockengeläut auf der Festungskapelle angezeigt wurde. Roderic und Brian übernahmen somit das Ruder, und Gero und Struan konnten sich am Fuße des Turms aus dem eingepackten Proviant bedienen, der fast besser war als das Frühessen auf der Festung. Brot und Ziegenkäse, dazu gab es in Wein eingelegte Feigen und getrocknetes Dörrobst und Nüsse, dazu einen kräftigen Roten. Ein Festessen, wenn man bedachte, dass die Vorräte zum Ende des Sommers fast aufgebraucht waren und man dringend auf Nachschub aus Zypern wartete. Was bedeutete, es gab endlich wieder frische Äpfel und Birnen aus Frankreich und Käse in Hülle und Fülle. Dazu frisches Korn von den Feldern franzischer und italienischer Bauern, aus dessen Mehl die Bäcker schmackhafte Brotfladen zubereiteten.
Nach dem Morgengebet beschied Gero in Absprache mit den anderen, dass er mit Struan einen Erkundungsgang zum nächsten Turmabschnitt machen wollte. Vielleicht wussten die Kameraden dort ja Näheres darüber, warum die Insel so plötzlich in Alarmbereitschaft versetzt worden war.
Gemeinsam machten sie sich auf, in der Absicht, mit den Kameraden zu reden und nach Booten und Schiffen Ausschau zu halten, die nicht zur Insel gehörten. Weit laufen mussten sie dafür nicht, und als sie sich auf halbem Weg zum Hafen befanden, hatte Gero plötzlich die Eingebung, dass er heimlich bei Warda vorbeischauen könnte. Struan würde nicht reden, wenn er ihm die Situation erklärte. Das hoffte er jedenfalls, weil sich der Schotte bisher als verschwiegener Freund erwiesen hatte.
Gerade wollte er ansetzen, einen solchen Vorschlag zu machen, da ertönte von den Festungsmauern ein Horn. Dann ein zweites, welches von ihrem eigenen Stützpunkt stammte, auf dem Brian und Roderic Wache hielten.
Alarmiert sahen Gero und Struan sich um und bemerkten, wie die Insel mit einem Mal lebendig zu werden schien. Von überall her strömten die Menschen, um an der Küste Ausschau zu halten, was es mit den Fanfaren auf sich hatte. Schon wenige Minuten später enthüllte sich das Schicksal in all seiner Grausamkeit.
„Mameluken“, raunte Struan kaum hörbar, und selbst wenn er nichts gesagt hätte, waren die gigantischen Galeeren, deren eiserne Spitzen sich aus dem lichter werdenden Nebel schälten, nun für alle Inselbewohner gut sichtbar.
Bei sechzehn Galeeren hatte Gero aufgehört zu zählen. „Scheiße“, zischte er leise.
Kapitel VI
G eros Körper reagierte rascher als sein Geist, und schon hatte er Struan am Ärmel gepackt und zog ihn mit zum Hafen, wo nun am meisten Verstärkung gebraucht werden würde. Sie mussten auf jeden Fall verhindern, dass die Feinde die Kette an der Hafeneinfahrt sprengten.
In voller Ausrüstung rannte er mit Struan zu den Kaimauern hinunter und schloss sich den alarmierten Templertruppen an, die ihrerseits bereits auf einer Landungszunge ein Wurfgeschoss klargemacht hatten, dessen Speerspitzen mit in Öl getränkten Lappen umwickelt waren. Im Takt eines Ruderschlags wurden brennende Geschosse auf die Schiffe der Mameluken abgefeuert. Einige Segel waren bereits in Brand geraten, und auf einer Galeere war ein Feuer ausgebrochen. Oben auf der Festung waren unzählige Turkopolen zu
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