Das Geheimnis des Templers - Episode V: Tödlicher Verrat (German Edition)
ich darauf wetten, er hat den Mameluken Informationen über Stärke und Verteidigung der Festung überlassen. Ich mag diesen Kerl nicht“, fügte Struan ungewohnt gesprächig hinzu. „Ich konnte ihn von Anfang an nicht leiden.“
Gero hätte ihm tausend Gründe nennen können, warum er mit seiner Annahme richtiglag, doch nun war nicht die Zeit dafür, um sich Luft zu machen.
Auf der Insel ging es inzwischen zu wie auf einem Ameisenhaufen, in den man einen brennenden Stecken hineingeworfen hatte. Im Dorf liefen die Menschen in Panik durcheinander, um ihre spärliche Habe vor den einfallenden Feinden zu retten. Gero dachte an Warda und die geheimen, unterirdischen Gänge, in denen sich zumindest die weiblichen Bewohner hoffentlich in Sicherheit brachten.
Als sie den Aussichtsturm erreichten, an dem die übrigen Kameraden treu und brav zurückgeblieben waren, offenbarte sich ihnen das ganze Ausmaß der bevorstehenden Katastrophe. Von überall her waren die feindlichen Galeeren in Position gegangen, und schon sauste das erste Katapultgeschoss an ihnen vorbei und bohrte sich krachend in das Strohdach eines benachbarten Gemäuers. Im Nu stand der gesamte Dachstuhl in Brand.
„Geht in Deckung!“, brüllte Gero und warf sich hinter eine halbhohe Mauer, als das nächste Geschoss über ihn hinwegsauste und er kurz darauf einen langgezogenen, spitzen Schrei vernahm. Als er aufschaute, bot sich ihm ein grausames Bild. Nicolas de Cappellano lag aufgespießt wie ein Hühnchen auf einer hölzernen Tür, die der Aufschlag des Geschosses aus den Angeln gehoben hatte. Nicolas hatte offenbar versucht, in das leerstehende Gebäude zu fliehen, und war von rückwärts erwischt worden. Der Speer hatte ihm das Rückgrat gebrochen und seine Eingeweide durchbohrt, aber er lebte noch, als Gero und die anderen ihm zu Hilfe eilten. Struan war versucht, den Speer aus ihm herauszuziehen, doch Gero schüttelte unmerklich den Kopf. Das armdicke Geschoss steckte im Holz fest, und jede Bemühung, es daraus zu entfernen, würde Nicolas nur zusätzliches Leiden bereiten.
Gero hatte sich neben ihm niedergekniet und hielt seine Hand.
„Ich spüre meine Beine nicht mehr“, röchelte Nicolas mit halbgeöffneten Lidern. „Muss ich nun sterben?“
„Ich fürchte schon“, flüsterte Gero, der nicht den Mut besaß, Nicolas zu belügen. „Aber ich bin sicher, dass du in den Himmel auffahren wirst“, fügte er tröstend hinzu. „Du bist als Templer gefallen, beim Angriff der Mameluken.“ Er musste schlucken, weil die Panik in den Augen des Bruders ihn ganz hilflos machte. „Keine Sorge“, beschwichtigte er Nicolas. „Wir beten mit dir. Es wird nicht lange dauern, bis wir im Himmel alle wieder vereint sind.“
„Danke“, röchelte Nicolas. „Du warst mir immer ein guter Kamerad. Ich werde dich selbst im Himmel nicht vergessen.“
Plötzlich war er still, und Gero entging nicht, wie alles Leben aus Nicolas Augen wich. Ein Anblick, der ihn augenblicklich und mit aller Härte in seine eigene Vergangenheit katapultierte. Lissy. Ihr Sterben und die Hilflosigkeit, die er dabei empfunden hatte, waren mit einem Mal so gegenwärtig, dass er sich abwenden musste.
Trotz der Gefahr sprang er auf und lief nach draußen, wo er sich einen Moment des Innehaltens gönnte, weil die aufsteigenden Tränen überhand zu nehmen drohten.
„Hey“, sagte Arnaud, der ihm gefolgt war und im Schatten der Mauer eine Hand auf seine Schulter legte. „Du wirst doch nicht ausgerechnet wegen Nicolas Tränen vergießen?“
Gero drehte sich um und schaute ihm teilnahmslos ins Gesicht, während er sich mit dem Unterarm den Rotz von der Nase wischte. „Ich werde um jeden weinen, der mir irgendwie nahegestanden hat, wenn es mir passt“, behauptete er beinahe trotzig. „Selbst um dich, wenn es sein muss.“
Ohne ein weiteres Wort ließ er Arnaud stehen und stieg trotz der zu erwartenden Geschosse auf eigene Gefahr hoch in den Turm, um von ganz oben eine Strategie zu entwickeln, mit der sie zur Verteidigung der Insel beitragen konnten.
Aus der Ferne betrachtet, sah die Lage nicht besser aus. Die Galeeren der Templer machten sich wahrhaftig auslaufbereit. Offenbar hatte de Chinsi sich von Hugo d’Empures zu einer Dreifachstrategie überreden lassen. Ein Drittel der Brüder und Sergeanten, die zusammen etwa hundertachtzig Mann zählten, wenn man die einhundertfünfzig Turkopolen oben auf der Festung nicht mitrechnete, hatte er hauptsächlich entlang der Uferlinie der
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