Das Geheimnis des Templers - Episode V: Tödlicher Verrat (German Edition)
können?“, fragte Roderic mit banger Miene. „Ich meine, wenn noch nicht mal die Mongolen es schaffen, die Mameluken zu vertreiben, wie soll es uns mit unseren knapp über hundert Rittern gelingen?“
„Das Problem ist“, erklärte Gero mit Blick zurück auf die Festung, die zusehends im Nebel verschwand, „dass gar nicht mehr Leute auf die Insel passen. Stell dir vor, wie hätten fünfhundert Ritter hier und noch einmal so viele Turkopolen, wie wolltest du die denn verpflegen? Vor allem die Wasserversorgung stellt ein großes Problem dar.“
„Ganz zu schweigen von der Scheiße dieser Leute, die man irgendwie loswerden muss“, fügte Arnaud stirnrunzelnd hinzu. „Du kannst sie doch nicht alle zum Scheißen ans Meer schicken. Schon jetzt ist das ganze Nordufer versaut. Warst du in letzter Zeit mal dort? Es stinkt zum Himmel!“
„Du kannst es drehen, wie du willst“, erhob Struan für alle überraschend seine raue Stimme. „Wir befinden uns in einer gefährlichen Lage, und das wird auch nicht besser, wenn sie noch doppelt so viele Brüder auf diese Insel entsenden. Antarados war von Beginn an als Brückenkopf für die Rückeroberung des Heiligen Landes geplant. So etwas macht nur Sinn, wenn es eine Brücke gibt, die zur anderen Seite des Meeres führt, aber dort fehlt uns der passende Pfeiler.“
„Struan hat recht“, fügte Gero nachdenklich hinzu. „Wir stecken hier fest, und wenn dem Orden nicht schleunigst etwas einfällt, sitzen wir in der Falle. Vielleicht ist das unserem Ordensmarschall durch die seltsamen Vorfälle in der Vergangenheit nun erst so richtig zu Bewusstsein gekommen. Wir haben hier von allem zu wenig. Zu wenig Wasser, zu wenig Futter für die Tiere, keine Selbstversorgung der Bevölkerung, wenn man vom Fischfang und ein paar wenigen Ziegen einmal absieht. Aber vor allem haben wir zu wenig Platz und zu wenig Schiffe. Zwei Galeeren sind vielleicht ausreichend, um Raubzüge zu bestreiten und sich halbwegs vernünftig verteidigen zu können, aber mit ihnen können wir keinen Eroberungskrieg gegen Kairo führen. Um wirklich etwas erreichen zu können, benötigen wir eine riesige Armada von Schiffen und tausendmal so viele Soldaten.“
„Sei vorsichtig, mit dem, was du da sagst“, erinnerte ihn Nicolas, der ständig befürchtete, unangenehm aufzufallen – was seiner allgemeinen Hasenfüßigkeit entsprach.
„Wenn Hugo d’Empures das hört, wird er es an den Ordensmarschall herantragen“, zeterte er warnend.
„Was hast du denn zu sagen?“, fuhr ihm Arnaud über den Mund. „Ich frage mich unentwegt, wer entschieden hat, dass du als Ritter aufgenommen wirst. Ob du ein Schwert in der Hand hältst oder eine Honigbrezel – was macht das für einen Unterschied?“
„Du bist gemein“, beschwerte sich Nicolas mit grimmiger Miene.
„Hört auf zu streiten“, mahnte Brian. „Das bringt uns nicht weiter.“
„Mir ist scheißegal, was Hugo d’Empures denkt“, verkündete Gero ohne Rücksicht auf Nicolas. „Ich traue ihm ohnehin nicht über den Weg.“
„Gibt es dafür einen Grund, den du uns nennen könntest?“ Brian sah ihn mit hochgezogener Braue an.
„Ja, es gibt einen, aber ich bin mir nicht sicher, ob es klug wäre, ihn euch zu verraten“, gab Gero zu bedenken. „Nur so viel: Er ist nicht der, für den ihn die meisten halten. Und dabei möchte ich es vorerst belassen.“
Bevor Arnaud zu einer weiteren Frage ansetzen konnte, hatten sie den Aussichtsturm und die dazugehörigen Nebengebäude erreicht. Dahinter verschwand das beinahe schwarz schimmernde Meer, dessen Gestade von schroffen Felsen begrenzt waren, in einem beängstigend weißen Nichts.
„Wachablösung!“, tönte Gero mit voller Stimme über den Turm hinaus. Mit Einverständnis seiner Kameraden hatte er das Kommando über die kleine Truppe übernommen.
Kurze Zeit später erschienen die sechs Sergeanten, die in der Woche zuvor die Wacht gehalten hatten. Sie grüßten nur kurz und wirkten allesamt übermüdet. Ihre Bärte waren struppig, und es wurde dringend Zeit, dass sie ein Waschhaus von innen sahen. Daran mangelte es in dem Turm, ebenso gab es nichts, wo man sich eine Mahlzeit hätte zubereiten können. Sie waren also auf die Versorgungstrupps der Festung angewiesen. Gero schaute sich mürrisch um. Wenigstens die Latrinen waren zu gebrauchen: Holzbalken hinter dem Hauptturm, die über einen Graben gelegt waren, der einen direkten Abfluss ins Meer garantierte.
Gero und seine Kameraden kletterten
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