Das Geheimnis des Templers - Episode VI: Mitten ins Herz (German Edition)
auch immer zu Ohren gekommen sei, was de Molay jedoch ganz und gar nicht zu beeindrucken schien, sondern ihn lediglich dazu veranlasste, eine Braue hochzuziehen. Gero hingegen war nicht sicher, ob sein Ordensmeister tatsächlich nichts von dieser Prophezeiung wusste oder ob er dieses Wissen lediglich für sich behalten wollte.
»Wenn jemanden die Schuld an diesem Debakel trifft, dann mich«, versicherte ihm der grauhaarige und um Jahre gealterte Ordensmeister mit aufrechtem Blick. »Der Untergang von Antarados und der Verlust all dieser guten Menschen hat nicht nur den Orden mitten ins Herz getroffen, sondern auch mich ganz persönlich. Allerdings würde es dem Orden in der jetzigen Situation nur schaden, wenn ich meinen Rücktritt ankündigen und einem anderen Ordensoberen das Ruder überlassen würde. Der Aufbau und die Unterhaltung von Antarados hat die Arme Ritterschaft Christi vom Salomonischen Tempel Unmengen an Geld gekostet, wovon das meiste noch nicht einmal aus unseren eigenen Kassen stammt. Wenn wir nun unsere Niederlage mit Pauken und Fanfaren in den Okzident tragen, wird dort niemand mehr Vertrauen in uns setzen, geschweige denn glauben, es könnte uns jemals gelingen, Jerusalem für die Christen zurückzuerobern. Was nicht nur fatale Folgen für die finanzielle Unterstützung des Ordens durch Dritte hätte, sondern auch für die Gewinnung weiterer Brüder als Ordensritter. Und deshalb bleibt mir nichts anderes, als Euch und den anderen Brüdern den strikten Befehl zu erteilen, nicht nur absolutes Stillschweigen über die wahren Gründe der Eroberung des Eilandes durch die Mameluken zu bewahren, sondern euch darüber hinaus in Franzien für die weitere Rekrutierung junger Adliger einzusetzen, indem ihr dort mit gutem Beispiel vorangeht. Ich muss nicht hinzufügen, dass Ihr dem Orden einen Eid geleistet habt, der Euch verpflichtet zu gehorchen, ganz gleich, was geschieht.«
Der ranghöchste Ordensritter der legendären Miliz Christi bedachte Gero mit einem unmissverständlichen Blick, der ausdrückte, dass eine Zuwiderhandlung eine ungeahnt harte Strafe nach sich ziehen würde. »Um der Heiligen Muttergottes willen“, fügte er schließlich um einiges sanfter hinzu, „ich benötige dringend Eure Unterstützung in der Sache.«
»De par Dieu, Beau Seigneur – im Namen Gottes! Worauf Ihr Euch verlassen könnt!« Gero tat seinen Schwur mit der Hand auf dem Herzen, obwohl es in seinem Innern brodelte, weil er insgeheim eine vollkommen andere Überzeugung vertrat.
Kapitel III
E r zweifelte immer noch, als er am Abend vor seiner Abreise nach Franzien in vollem Templerornat den Weg zu Fuß in die Stadt antrat. Trotz der hereinbrechenden Dämmerung erregte er in seinem weißen Mantel und dem Wappenrock mit dem roten Kreuz auf Brust und Schulter bei den entgegenkommenden Passanten mehr Aufsehen, als ihm lieb war. Zumal die einheimische Bevölkerung die Templer nicht eben verehrte. Dies war sicher ein Grund, warum er überwiegend misstrauische Blicke erntete und er die Ordensburg seit der Razzia in der »Taverne der Engel« nicht mehr ohne sein Schwert und seinen Messergürtel verlassen hatte. Obwohl er angesichts seines Vorhabens lieber Zivilkleidung getragen hätte, wäre es ihm ohnehin nicht möglich gewesen, weil er bei seiner Flucht aus Antarados neben seinem geliebten Streitross auch seine private Kleidung hatte zurücklassen müssen. Wenigstens war ihm das Liebesgedicht seiner verstorbenen Frau geblieben sowie der Siegelring seiner Familie und sein Wappenbuch. Alles zusammen trug er stets in einer kleinen Ledertasche um den Hals direkt über dem Herzen. Dass ihm nach dem Überfall der Mameluken darüber hinaus sein kostbarer Anderthalbhänder nicht verlorengegangen war sowie das einfache, silberne Kreuz, das er wie alle Brüder an einem Lederband um den Hals trug, hatte er Struan zu verdanken, der nicht nur sein Leben, sondern auch seine wertvollste Habe vor den Heiden gerettet hatte.
Trotz des engen Bandes zwischen ihm und dem Schotten, das seit Antarados noch enger geworden war, hatte er Struan nicht gesagt, wohin er sich begab. Nur der Wachhabende am Tor der Ordensburg von Nikosia wusste Bescheid, als er ihm den vom Ordensmeister unterzeichneten Passierschein gezeigt hatte.
Mit ausladenden Schritten näherte er sich der westlichen Altstadt, wo das Haus von Wardas Tante zu finden war. Auch wenn Warda vielleicht nicht dort lebte, würde ihre Tante wahrscheinlich wissen, wo sie sich aufhielt. Zum
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