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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Frage, weshalb sie ihn überhaupt geheiratet hatte, wusste er bislang keine Antwort.
    Unruhig ging Jasper im Zimmer umher. Wie eitel er gewesen war, als sie ihm ihren Antrag gemacht hatte! Er hatte angenommen — soweit er sich überhaupt Gedanken darüber gemacht hatte, denn im Grunde war ja wohl klar, weshalb man ihn heiraten wollte —, weil ihr keine andere Wahl mehr blieb. Einer alten Jungfer ohne jeden Verehrer. Er war ihre letzte Chance, sich zu verehelichen. Aber nun, da er mit ihr verheiratet war, Tisch und Bett mit ihr teilte, ihre Leidenschaft und ihre spitze Zunge kannte, wusste Jasper, dass er mit seinen eitlen Annahmen gründlich danebengelegen hatte. Sie war schlagfertig und hatte einen messerscharfen Verstand. Im Bett loderte sie vor Leidenschaft. Kurzum: Sie war eine Frau, wie ein Mann sie sein Lebtag suchte, doch nur selten fand. Und wenn er sie — mit mehr Glück als Verstand — nun gefunden hatte ... dann tat er gut daran, sie an sich zu binden und glücklich zu machen, damit sie für immer bei ihm blieb.
    Melisande hatte andere Möglichkeiten gehabt. Blieb also die Frage, warum sie ihn gewählt hatte.
    Vor ihrer Kommode blieb er stehen. Nachdenklich stand er da, dann bückte er sich, zog die unterste Schublade auf und holte die kleine Tabaksdose hervor. Er richtete sich wieder auf und öffnete den Deckel. Der kleine Porzellanhund lag noch darin, aber das getrocknete Veilchen war verschwunden. Dafür war anderes hinzugekommen: ein winziges Zweiglein und ein paar ineinander geschlungene Haare. Vorsichtig nahm er den Zweig heraus und besah ihn sich. Die Blätter waren hart und schmal, fast wie Nadeln, und kleine lavendelfarbene Blüten rankten sich den Stängel empor. Heidekraut. Aus Schottland. Und die Haare sahen seinen eigenen verdammt ähnlich.
    Noch während er mit nachdenklich gerunzelter Braue die Tabaksdose betrachtete, ging hinter ihm die Tür auf.
    Er machte sich nicht die Mühe, seinen Fund zu verbergen. In gewisser Weise kam ihm die anstehende Auseinandersetzung sogar recht. Er wollte Antworten, und er würde sie bekommen.
    „Meine liebe Gemahlin”, sagte er und wandte sich zu Melisande um.
    Behutsam schloss sie die Tür hinter sich, sah erst ihn an, dann
    ihr Schatzkästchen, dann wieder ihn. „Was machst du da?"
    „Ich versuche, etwas herauszufinden", erwiderte er.
    „Und was?"
    „Warum du mich geheiratet hast."
    Jasper stand mit ihren verborgensten Geheimnissen in der Hand vor Melisande und stellte ihr die dümmste Frage, die sie je gehört hatte.
    Ungläubig blinzelte sie, und da sie kaum glauben konnte, dass er so töricht war, fragte sie: „Wie bitte?"
    Die Tabaksdose noch immer in der Hand schlenderte er zu ihr. Sein rotbraun gelocktes Haar war zu einem Zopf gebunden, der indes in Auflösung begriffen war; die Falten um Mund und Augen hatten sich tief eingegraben, seine Miene war voller Trauer, dunkle Schatten unter den Augen zeugten von seinen schlaflosen Nächten. Sein braunroter Rock spannte um die breiten Schultern, am Ellenbogen war ein Fleck, und seine Schuhe waren an den Spitzen abgestoßen. Nein, er war nicht vollkommen. Und noch nie war sie so wütend auf jemanden gewesen — und doch war ihr noch nie jemand so schön erschienen.
    Wie vollkommen er in all seiner Unvollkommenheit war!
    „Ich möchte wissen, warum du mich geheiratet hast, mein Herz", wiederholte er und sah sie unverwandt an.
    „Bist du nicht ganz bei Verstand?"
    Ihre Worte schienen bei ihm eher Belustigung und Neugier als Verdruss zu wecken. Er neigte leicht den Kopf und sah sie gespannt an.
    „Wahrscheinlich bist du als Kind auf den Kopf gefallen", vermutete sie. „Oder Schwachsinn liegt in der Familie."
    Bedächtig schüttelte er den Kopf und kam immer näher. „Nicht dass ich wüsste."
    „Dann hast du die Dummheit also für dich allein gepachtet."
    „Ich halte mich auch nicht für begriffsstutziger als andere Männer." Nun stand er vor ihr, so nah und vertraut. Er beugte sich über sie und sah ihr tief in die Augen.
    „Oh doch", entgegnete sie und stieß ihn von sich. „Das bist du."
    Doch er rührte sich nicht. Zum Teufel mit ihm! Stattdessen ließ er ihre — ihre! — Tabaksdose in seiner Rocktasche verschwinden und grub ihr die Finger grob ins Haar. Er bog ihren Kopf zurück und drückte seinen Mund auf ihren Hals.
    „Sag es mir", knurrte er, und sie spürte jeden Laut in sich vibrieren, spürte seinen heißen, feuchten Atem auf ihrer Haut.
    „Du bist der dümmste,

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