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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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anschauliches Bild, Miss Suchlike, doch glaube ich, dass Sie allzu vertraulich mit den anderen Bediensteten sind."
    Er ließ sie los und ging weiter.
    Sally musste sich sehr beherrschen, seinem breiten Rücken nicht die Zunge herauszustrecken. Denn leider hatte Mr Pynch recht. Als Kammerzofe stand sie über den anderen Bediensteten. Allenfalls noch Mr Oaks und Mrs Moore waren ihres Ranges. Was wohl hieß, dass sie ebenfalls auf die fröhliche Tischgesellschaft der anderen verzichten und über ihr ausgelassenes Gelächter die Nase rümpfen sollte. Dumm nur, dass sie dann kaum noch jemanden zum Reden hätte. Mr Pynch mochte ja damit zufrieden sein, wie ein Einsiedler zu leben; sie nicht.
    „Würde Ihnen auch nicht schaden, wenigstens mal freundlich zu sein", murmelte sie, als sie den Flur vor den Gemächern der Herrschaft erreicht hatten.
    Er seufzte. „Miss Suchlike, ein junges Mädchen wie Sie kann wohl kaum ..."
    „So jung bin ich nun auch wieder nicht", stellte sie klar. Belustigt sah er sie an. Gemessen daran, wie steif und hölzern er sonst dreinschaute, war es fast, als lachte er sie aus.
    Empört stemmte sie die Hände in die Hüften. „Ich werde bald zwanzig, nur dass Sie es wissen."
    Seine Mundwinkel zuckten.
    Grimmig sah sie ihn an. „Und wie alt sind Sie, Großväterchen?" Auf seine unvergleichlich eingebildete Art hob er eine Braue. „Zweiunddreißig."
    Sie taumelte zurück, gab sich schockiert. „Oh mein Gott! Ein Wunder, dass Sie sich noch auf den Beinen halten können — in Ihrem Alter."
    Er schüttelte nur den Kopf über ihr törichtes Treiben. „Kümmere dich jetzt lieber um deine Herrin, mein Kind."
    Nun konnte sie sich nicht länger beherrschen und streckte ihm die Zunge heraus, bevor sie sich in Lady Vales Schlafgemach flüchtete.
    Melisande verbarg die zitternden Hände in ihren bauschigen Röcken, als sie sich am späten Abend auf Lady Grahams Maskenball einfand. Sie hatte all ihren Mut aufbringen müssen, um überhaupt zu kommen. Tatsächlich hatte sie sich erst in allerletzter Minute dazu entschlossen; hätte sie noch länger darüber nachgedacht, dann hätte sie gewiss hundert gute Gründe gefunden, die dagegen sprächen. Sie hasste diese Art von Geselligkeit. Es war heiß und eng und voller Menschen, die lachten, tratschten, glotzten — und sie auszuschließen schienen. Aber es war Jaspers Terrain. Wollte sie ihm beweisen, dass sie ein würdiger Ersatz für seine endlos lange Reihe raffinierter Gespielinnen war, musste sie sich ihm wohl oder übel in seinem ureigenen Revier stellen.
    Nervös strich sie über ihren Rock und versuchte, sich zu beruhigen. Dass es ein Maskenball war, half ein wenig. Sie trug eine Halbmaske aus einem so dunkelvioletten Samt, dass sie fast schwarz wirkte. Zwar verbarg die Maske nicht, wer sie war — das war schließlich auch nicht Sinn der Sache —, doch gab sie ihr ein gewisses Maß an Selbstvertrauen. Melisande holte tief Luft und sah sich um. Überall maskierte Damen und Herren, laut und lachend und allesamt darauf aus, zu sehen und gesehen zu werden. Manche der Herren trugen lange Maskenmäntel, doch die Damen bevorzugten farbenprächtige Ballkleider und begnügten sich mit einer Halbmaske.
    Melisande hatte sich in einen Umhang aus dunkelvioletter Seide gehüllt und barg ihr Gesicht in der weiten Kapuze, als sie sich durch die Menge drängte und nach ihrem Mann Ausschau hielt. Seit der Gartenparty am Nachmittag hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Ihre Wege hatten sich getrennt, als sie aufgebrochen waren — er zu Pferde, sie in der Kutsche. Nachdem sie Mr Pynch diskret ausgefragt hatte, wusste sie immerhin, dass ihr Gatte einen schwarzen Umhang trug, womit er sich hier indes in guter Gesellschaft fand. Fast alle Herren waren in Schwarz gewandet. Eine Dame rauschte an ihr vorbei, rempelte sie an und warf einen verächtlichen Blick über die Schulter.
    Kurz war Melisande versucht davonzulaufen, fort aus diesem Saal voller lauter, ausgelassener Menschen. Sie könnte ihr Vorhaben einfach aufgeben und in der wartenden Kutsche Zuflucht suchen. Aber wenn Jasper es bei seinem nachmittäglichen Versuch, ihr nachzustellen, geschafft hatte, Heerscharen alter Damen zu trotzen, dann könnte sie wohl auch die Schrecken eines Ballsaals aushalten, um seiner Fährte bei Nacht zu folgen.
    Auf einmal hörte sie sein Lachen. Sie drehte sich um, und da sah sie ihn. Lord Vale überragte die anderen fast um Haupteslänge. Er war von einigen souverän lächelnden Herren und

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