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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Dennoch ertrug er ihren Anblick nicht länger.
    Er unterbrach die kleine Plauderei, indem er Melisande seinen Arm reichte. „Komm", sagte er. „Wir haben doch nachher noch eine Verabredung."
    Mit einer Verbeugung verabschiedete er sich von Matthew und Miss Corning. Ohne Melisande ansehen zu müssen, war er sich bewusst, dass sie ihn die ganze Zeit beobachtete — neugierig, fragend, gespannt —, selbst dann noch, als sie ihre Hand auf seinen Arm legte. Sie wusste natürlich, dass es keine Verabredung gab. Etwas spät fiel ihm ein, dass er bei der Ergründung ihrer Geheimnisse Gefahr lief, auch die seinen preiszugeben — die weitaus düsterer waren. Und das durfte niemals geschehen.
    Jasper legte seine Hand auf ihre. Es war eine Geste, die einem Gatten angemessen war, geschah jedoch rein instinktiv. Sie entsprang dem Bedürfnis, seine Frau festzuhalten, damit sie nicht vor ihm davonlief. Er konnte ihr nicht von Reynaud erzählen und was in den weiten, dunklen Wäldern Amerikas geschehen war, er konnte ihr nicht erzählen, wie seine Seele damals zerbrochen war, konnte ihr sein schlimmstes Versagen und seinen größten Kummer nicht gestehen. Aber er konnte sie festhalten, sie halten und bewahren.
    Und genau das würde er tun.
    „... und da stand er schön blöd da, wie ihm der Hintern so aus der Hose hing!" Mrs Moore, Lord Vales Haushälterin, schloss ihre Erzählung mit einem kräftigen Schlag auf den Küchentisch. Rummms.
    Die drei Hausmädchen fingen ausgelassen an zu kichern, die beiden Lakaien am Ende des Tisches stießen sich gegenseitig an, Mr Oaks ließ ein tiefes Lachen ertönen, und selbst die Köchin, die sonst immer etwas verkniffen dreinblickte, wagte ein Lächeln.
    Sally Suchlike grinste. In Lord Vales Haushalt ging es ganz anders zu als bei Mr Fleming. Es gab mehr als doppelt so viele Bedienstete, aber unter der Führung von Mr Oaks und Mrs Moore herrschte eine viel freundlichere, fast familiäre Atmosphäre. Ein paar Tage, nachdem sie hier angefangen hatte, hatte Sally sich schon mit Mrs Moore und der Köchin angefreundet — die gar nicht so streng, sondern einfach nur schüchtern war —, und ihre Befürchtungen, von den anderen nicht gemocht oder akzeptiert zu werden, hatten sich rasch verflüchtigt.
    Sally pustete in ihren dampfenden Tee. Lord und Lady Vale hatten eben zu Abend gegessen, nun war Essenszeit bei den Bediensteten. „Und verraten Sie uns noch, was dann passiert ist, Mrs Moore?"
    „Tja ...", begann die Haushälterin, die offensichtlich hell erfreut war, mit ihrer unanständigen Geschichte fortfahren zu können.
    Doch weit sollte sie nicht kommen, denn Mr Pynch betrat die Küche. Schlagartig schien Mr Oaks ernüchtert, die beiden Lakaien verstummten und setzten sich ordentlich hin, eines der Hausmädchen kicherte nervös und bekam dafür von einer anderen einen Hieb in die Seite, Mrs Moore errötete. Sally seufzte. Mr Pynch war wie ein Eimer schmutzigen Themsewassers, der über den Köpfen der anderen ausgeschüttet wurde: kalt und unerfreulich.
    „Kann ich etwas für Sie tun, Mr Pynch?", erkundigte sich der Butler.
    „Nein, danke", sagte Pynch. „Ich komme wegen Miss Suchlike. Die Herrin verlangt nach ihr."
    Sein steifes Gebaren entlockte dem Hausmädchen abermals ein Kichern. Sie hieß Gussy und gehörte zu jenen Mädchen, die dauernd kicherten. Doch als Pynch seinen kalten, grünen Blick auf sie richtete, verstummte sogar sie.
    Alter Spielverderber, dachte Sally. Sie stieß sich von dem langen Küchentisch ab und stand auf. „Nun, dann haben Sie vielen Dank, Mrs Moore, für diese wirklich amüsante Geschichte."
    Mrs Moores Wangen röteten sich vor Freude.
    Sally lächelte kurz in die Runde, ehe sie sich an Pynchs Fersen heftete. Er hatte natürlich nicht auf sie gewartet.
    Auf halber Höhe der Hintertreppe holte sie ihn schließlich ein. „Warum müssen Sie immer so unausstehlich sein?"
    Er drehte sich nicht um und stieg unbeirrt Stufe um Stufe nach oben. „Ich weiß beim besten Willen nicht, was Sie meinen, Miss Suchlike."
    Sie verdrehte die Augen und eilte ihm keuchend hinterher. „Sie essen nie mit den anderen, und wenn Sie sich doch mal blicken lassen, machen Sie jede Unterhaltung platt — wie ein Pferd, das sich auf eine Katze pflanzt."
    Auf einem Treppenabsatz angelangt, blieb er so unvermittelt stehen, dass sie in ihn hineinrannte und fast rückwärts die Treppe heruntergefallen wäre.
    Er drehte sich um und packte sie ohne zu Zögern beim Arm. „Ein sehr

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