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Das Geheimnis des Viscounts

Titel: Das Geheimnis des Viscounts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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die sich da aus ihrer Feder spann. Sie handelte von einem Soldaten, der in einen lustigen kleinen Wicht verwandelt wurde. Ein kleiner Wicht, der aber unglaublich mutig war. Nicht gerade der übliche Märchenprinz, aber im Grunde entsprach keines der Märchen in Emelines Buch den Erwartungen. Der Rest der Übersetzung würde nun auf jeden Fall bis morgen warten müssen. Es war inzwischen zu dunkel, um noch zu schreiben, geschweige denn zu lesen.
    „Können wir nicht einfach umkehren?", fragte sie Jasper und schloss ihr Schreibpult. „Ein verlassener Gasthof ist immer noch besser, als mitten in der Landschaft zu stehen."
    „Ausgesprochen richtig liebe Gemahlin, aber ich fürchte, wir würden es vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr zurück nach Birkham schaffen. Besser, wir fahren einfach weiter."
    Als sei damit alles geklärt, schloss er wieder die Augen.
    Melisande schaute eine Weile aus dem Fenster und kaute gereizt auf ihrer Unterlippe. Mit Blick auf ihre schlummernde Zofe senkte sie die Stimme und versuchte es erneut. „Ich hatte Sally versprochen, dass wir nicht bei Nacht reisen würden. Sie hat London nie zuvor verlassen."
    „Dann dürfte diese Reise sehr aufregend und lehrreich für sie sein", erwiderte Jasper, ohne auch nur die Augen zu öffnen. „Mach dir keine Sorgen. Kutscher und Lakaien sind bewaffnet."
    „Pfff”, schnaubte Melisande und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wie gut kennst du diesen Mr Munroe eigentlich?"
    Sie hatte schon die Tage zuvor herauszufinden versucht, weshalb ihr Mann ihn so dringend sprechen wollte. Wann immer sie Fragen gestellt hatte, hatte er das Thema gewechselt. Deshalb wollte sie nun eine andere Taktik wählen.
    „ Sir Alistair Munroe", murmelte er.
    Selbst mit geschlossenen Augen schien er ihren entnervten Blick zu spüren. Ein Lächeln huschte über seine Lippen. „Für seine rühmlichen Dienste an der Krone zum Ritter geschlagen. Er hat ein Buch veröffentlicht, in dem er Flora und Fauna der Neuen Welt beschreibt. Nicht nur Pflanzen und Säugetiere übrigens, sondern auch Fische, Vögel und Insekten. Ein riesiges, unhandliches Ding, aber die Illustrationen sind sehr schön anzusehen. Handkolorierte Stiche nach seinen eigenen Skizzen. Der gute George war so beeindruckt, dass er Munroe zum Tee geladen hat — so habe ich zumindest gehört."
    Melisande sann über das gewichtige Werk dieses Naturforschers nach, das ihm eine Privataudienz beim König eingebracht hatte. „Er muss viele Jahre in den Kolonien gewesen sein, um so viel Material zu sammeln. Hat er euer Regiment die ganze Zeit begleitet?"
    „Nein. Er ist von Regiment zu Regiment gezogen, je nachdem, in welchem Gebiet sie gerade unterwegs waren. Beim Achtundzwanzigsten war er nur knapp drei Monate", sagte Jasper. „Er ist kurz vor dem Marsch auf Quebec zu uns gestoßen."
    Ihr Gatte klang auf einmal schläfrig, was Melisande aufhorchen ließ. Zweimal schon hatte er sich in den Schlaf geflüchtet, als sie begonnen hatte, ihm Fragen zu stellen.
    „Hast du während dieser Zeit mit ihm gesprochen? Wie war er so?"
    Jasper schlug die Beine übereinander, ohne die Augen zu öffnen. „Oh, schottisch eben. Wortkarg. Aber mit einem messerscharfen Sinn für Humor. Daran erinnere ich mich noch gut. Sehr trockener Humor."
    Daraufhin schwieg er eine Weile, und Melisande sah draußen die Hügel im violetten Schein der Dämmerung verschwinden.
    Schließlich meinte Jasper versonnen: „Ich kann mich auch noch erinnern, dass er immer diesen großen Koffer bei sich hatte, mit Messing beschlagenes Leder. Spezialanfertigung. Darin waren Dutzende kleiner Fächer, alle mit Filz ausgeschlagen, sehr raffiniert. Er hatte ein ganzes Sortiment an Kästen und Phiolen fürs Getier, und Holzpressen in verschiedenen Größen, um Blumen und Blätter zu trocknen. Einmal hat er uns seine Schätze vorgeführt. Da hättest du einmal die gestandenen Soldaten sehen sollen — manche von ihnen seit Jahren in der Armee, die konnte nichts mehr schrecken oder erstaunen. Auf einmal standen sie mit großen Augen vor diesem Koffer und staunten wie kleine Jungen auf dem Jahrmarkt."
    „Wie wunderbar das gewesen sein muss", sagte Melisande leise.
    „Das war es, das war es." Seine Stimme klang seltsam weit weg in der zunehmenden Dämmerung.
    "Vielleicht kann er mir seine Sammlung ja zeigen, wenn wir dort sind."
    „Nein, kann er nicht", kam es aus der Düsternis auf der anderen Seite der Kutsche. „Beim Überfall der Indianer ist alles

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