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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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hatte seinen Freund so schrecklich vermisst.
    »Das klingt überaus verführerisch, aber was hältst du davon, wenn ich dich heute mal im Gegenzug zum Essen einlade? Wir könnten ins Sturmwind gehen, die bieten da seit heute ein Sonntagsessen an, nachdem das Restaurant ja quasi beschlagnahmt gewesen ist. Bestimmt Maischollen mit original Gartengemüse. Kartoffeln sind ja im Augenblick so gut wie gar nicht zu haben. Obwohl … Bei einem Restaurantbesuch muss ich vermutlich diese verflixten Stiefel anbehalten.«
    Vor lauter Verblüffung schnappte Arjen nach Luft. Nicht nur dass Ruben offenbar Geld in den Taschen hatte, sondern er zeigte auch keinerlei Hemmung, im Ort gesehen zu werden. »Hältst du das für eine gute Idee? Wenn man dich nun wiedererkennt …«
    Rubens Augen blitzten. »Und wenn schon? Ich bin kein Kind mehr, ich darf mein Geld ausgeben, wo ich will. Außerdem erregt mein Gesicht in diesen Tagen wenig Aufmerksamkeit, da gibt es ganz andere Visagen, nach denen sich die Insulaner umdrehen. Und wenn ich das richtig einschätze, dann können die Leute hier froh über jeden sein, der dabei hilft, dass das Inselleben wieder in normalen Bahnen verläuft.«
    Arjen nickte ausweichend und behielt für sich, dass die Beekensieler trotz der unverzichtbaren Notwendigkeit zupackender Hände den Flüchtlingen gegenüber keineswegs freundlich gesinnt waren. Es wurden sogar schon die ersten Stimmen laut, dass man schon allein klarkäme und die darbenden alteingesessenen Familien jeden Pfennig selbst brauchten, anstatt ihre bescheidenen Vorräte mit Fremden zu teilen. Nein, mit solchen Themen wollte er ihr Wiedersehen wirklich nicht vergiften. Auch wenn er Ruben gegenüber zumindest eine Andeutung machen sollte, wenn sein Freund glaubte, sich unbehelligt im Sturmwind zeigen zu können. »Hör mal, wir haben uns so lange nicht gesehen, da gibt es doch einiges zu erzählen, das nicht unbedingt jeder Tischnachbar mitbekommen muss«, gab er zu bedenken. »Glaub mir, die Leute sind nervös und noch neugieriger als sonst. Wenn du länger bleiben möchtest, wäre es klug, ein wenig aus dem Fahrtwind zu treten.«
    Widerwillig brummend steckte Ruben die Hände in seine Hosentaschen, während sein Blick einigen Kirchenbesuchern folgte, die gerade ins Hotel Sturmwind einkehrten – eine vornehme Prozession aus den führenden Familien Beekensiels, die sich ein solches Essen nicht nur leisten konnten, sondern auch die Chuzpe hatten, es öffentlich zu zeigen. Allen voran gingen die Ennenhofs, denen es mit beispielhafter Geschmeidigkeit gelungen war, ihr Unternehmen durch die Nachkriegswirren zu bringen, auch wenn sie sich in der letzten Zeit ungewöhnlich bedeckt hielten. Damit war nun offenbar Schluss, denn der alte Rasmus Ennenhof hatte beschlossen, den Rechtsanwalt Jörg Claußen bei seiner Kandidatur fürs Bürgermeisteramt zu unterstützen. Claußen war der perfekte Mann für dieses Amt, politisch unbelastet und eine der wenigen Persönlichkeiten von Format, die die Insel hervorgebracht hatte. Man rechnete es ihm hoch an, Beekensiel auch in den Jahren treu geblieben zu sein, als er seine Kanzlei in Aurich gehabt hatte, die jedoch – wie so vieles andere – den Bomben der Alliierten zum Opfer gefallen war. Nun war Claußen mittellos, aber das war nachrangig, solange er auf die Freundschaft der Ennenhofs zählen konnte. Dem Ganzen kam zugute, dass Rasmus’ ältester Sohn Ole an Claußens Tochter Adele Interesse zeigte. Er war mit nur einem Bein aus Frankreich zurückgekehrt, bevor die Lage dort zu Ungunsten der Angreifer gekippt war. Jetzt ging Ole an der Seite der auffallend schönen und noch auffallender kühlen Adele, darauf bedacht, ihren Ellbogen zu halten, als liefe sie ansonsten Gefahr zu stürzen.
    Mit gerunzelter Stirn beobachtete Arjen diese Gesellschaft und fragte sich, wie schon so oft, warum es immer dieselben Leute waren, die wie die Katzen auf den Pfoten landeten. Davon abgesehen war es ihm ein Rätsel, wie Ruben auf die Idee gekommen war, in diesem Lokal einzukehren. Vermutlich hätte man ihnen gar keinen Tisch zugewiesen, egal, ob Ruben Geld dabeihatte und eine ordentliche Jacke trug.
    Als die friesengrüne Tür hinter den Gästen zuschlug, zuckte Ruben mit den Schultern. »Was soll’s. Wahrscheinlich hast du recht, und wir würden uns nur zum Narren machen. Aber unser Wiedersehen muss gefeiert werden! Komm, ich nehme dich mit in meinen Unterschlupf.«
    »Hast du Hinrichs’ alte Hütte hergerichtet? Von der

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