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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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mussten. So etwas hatte es zuvor nur bei der Weihnachtsmesse gegeben. Offenbar gab es mit einem Mal ein dringendes Bedürfnis, Schutz unterm Mantel des Herrn zu finden, wenn auch nur für eine Stunde und unter Thaisen Rosenbooms dröhnender Stimme.
    Ruben musste geahnt haben, dass er hier zu finden war! So musste es sein, sein Freund fand ihn – wie schon bei ihrem ersten Zusammentreffen – und nicht umgekehrt. Hier bin ich , dachte Arjen. Ich stehe nur ein paar Schritte von dir entfernt und nicht bei den anderen, schau her. Stattdessen bückte Ruben sich nach einem weiteren Stein und warf ihn in die sanft gegen den Kai plätschernden Wellen.
    Mit ein paar Schritten war Arjen bei seinem Freund und packte ihn bei den breit gewordenen Schultern. Zorn flammte über Rubens Gesicht, und er setzte schon die Hände an, um Arjen vor die Brust zu stoßen, ehe er begriff, wen er vor sich hatte.
    »Verflucht, Rosenboom, ich habe dich fast nicht erkannt! Was ist das in deinem Gesicht, haben sie dir im Krieg die Nase weggeschossen und dir an ihrer Stelle einen Zinken angeschraubt?«
    Es war die Stimme eines Fremden … Eines fremden Mannes, tief und verwirrend erwachsen, auch wenn Arjen bestenfalls einen Bartschimmer an seinem Kinn ausmachen konnte. Im Gegensatz zu ihm hatte Ruben fast alle Eierschalenreste der Jugend abgestreift. Arjen konnte nicht anders, als übers ganze Gesicht zu strahlen, während seine Hände bei seinem Freund auf den Schultern liegen blieben, obwohl es ihn drängte, seine in den letzten Jahren ins Unheimliche gewachsene Nase zu betasten. Denn wenn er ihn losließ, könnte er verschwinden. Ruben war das durchaus zuzutrauen.
    »Du bist ebenfalls kaum wiederzuerkennen, vor allem weil du endlich mal anständige Kleidung am Leib trägst«, neckte er zurück. »Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals Schuhe an deinen Füßen gesehen zu haben, Ruben.«
    Bei der Nennung seines Namens blinzelte Ruben, um dann jenes breite Lächeln aufzusetzen, das Arjen schmerzlich vermisst hatte. »Die Dinger machen mich, ehrlich gesagt, auch völlig verrückt. An meinen Füßen reiht sich eine Blase an die nächste. Sobald ich aus dem Ort raus bin, ziehe ich die Stiefel aus, so viel steht fest.«
    »Du hättest ja auch gar nicht erst ins Dorf kommen müssen, um mich zu treffen. Den Weg zu unserer Reetdachkate hast du doch wohl kaum vergessen, oder?« Als Ruben nicht sogleich reagierte, schob Arjen ein »Du bist doch hierhergekommen, um mich zu treffen?« hinterher. Denn er befürchtete, dass Ruben sich aus einem ganz anderen Grund am Kai herumtrieb, dass ihre Freundschaft – wie so vieles andere – der Vergangenheit angehörte und nur er unter ihrer Trennung gelitten hatte. Dann erlöste Ruben ihn jedoch.
    »Wenn nicht dich, wen dann?«, fragte er mit seiner unnachahmlichen Verschmitztheit.
    Endlich schloss Ruben ihn in die Arme, und Arjen kam nicht umhin, seinen Geruch einzuatmen, der nach wie vor an frisches Seegras erinnerte. Allerdings war noch eine andere Note hinzugekommen, schwerer und unleugbar anziehend. Außerdem fühlte sich sein Freund sehnig, geradezu muskulös an unter Hemd und Jacke – ganz im Gegensatz zu ihm, der die weichliche Körperform seiner Kindertage gegen die eines langgestreckten Elends eingetauscht hatte. Aus Ruben würde schon bald ein stattlicher Mann werden, während er selbst sein Leben voraussichtlich blass und kurzatmig hinter einem Schreibtisch fristen würde. Eine grauenhafte Vorstellung, denn seit dem Sommer, in dem er mit seinem Freund über die Insel streunte, hatte er es vermisst, unterwegs zu sein. Selbst seine andauernde Ermattung hatte dieses Verlangen nicht unterdrücken können – auch wenn er viel zu selten die Kraft aufgebracht hatte, ihm nachzugeben.
    Jetzt wird eh alles besser, wo Ruben wieder da ist , beschloss Arjen. Dieser zweite Sommer an seiner Seite wird die Veränderung abschließen, die er in unserem ersten ins Rollen gebracht hat. Die Zeit des Stillstands ist vorbei.
    »Bist du zum Mittagessen schon vergeben? Ansonsten lade ich dich herzlich gern ein. Unsere Dörchen ist zwar zurück zu ihrer Familie aufs Festland gezogen, nachdem ihr Mann in diesem schrecklichen Winter verstorben ist, aber ich bekomme mittlerweile auch das eine oder andere Gericht zustande. Meine Spezialität sind Bratkartoffeln – und zwar unangebrannt.« Das Lachen, mit dem Ruben diesen kleinen Hinweis auf ihre gemeinsamen Erlebnisse quittierte, jagte Arjen einen Schauer über den Rücken. Er

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