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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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dreinblickende Männer ging. Es war ihr allerdings mehr denn je ein Rätsel, was dann der richtige Wegweiser sein sollte.
    »Vermutlich denkst du, dass es mich nichts angeht, wohin es dich in Zukunft verschlägt. Nicht nur wegen meines Verhaltens vorgestern, sondern überhaupt«, sagte Mattes in die Stille hinein. »Ich will dich auch nicht länger als nötig belästigen. Ich lege dir Film und Abzüge auf dein Notizbuch, einverstanden? Nur noch eine Sache: Ich habe mir die Aufnahme von diesem Walfischknochen angesehen und mir ein paar Gedanken dazu gemacht. Gut möglich, dass ich mich täusche, aber das Stück sieht absolut nach einem Knochenstück aus. Dass er an einem Ende breiter ist, hat mich auf eine Idee gebracht, denn es sieht so aus, als handele es sich ursprünglich um die Spitze von etwas, das sich nach unten hin verbreitete. Wie eine Spitze, die abgebrochen ist und deren Bruchstelle anschließend glatt geschliffen wurde. Die Zeichen deuten ebenfalls auf diese Theorie hin, an der breiten Seite brechen sie nämlich ab.«
    Greta hielt es nicht länger aus und ging auf Mattes zu, was ihn prompt dazu veranlasste, ihr entgegenzukommen. »Worauf willst du hinaus?«
    »Die Inuit haben Harpunen gebaut, deren Spitzen manchmal aus Walfischknochen bestanden. Auf der einen Seite fügten sie eine Öffnung fürs Seil ein, die andere wurde spitz zulaufend geschnitzt, damit sie problemlos in die Beute eindringen konnte. Und diese Harpunenspitzen haben sie gelegentlich mit Schnitzereien geschmückt. Es wäre doch denkbar, dass die Aufnahme genau eine solche abgebrochene Spitze zeigt.«
    »Das klingt durchaus plausibel«, gestand Greta ein. Nun gab es nicht nur eine Aufnahme vom Walfischknochen, sondern auch eine durchaus plausible Hintergrundgeschichte.
    »Wenn du meinst, dass die Spur taugt, kann ich gern in diese Richtung weitersuchen. Bestimmt lässt sich einiges über die Symbole herausfinden, und wenn wir erst einmal ihre Bedeutung kennen, lässt sich möglicherweise auch die ursprüngliche Geschichte des Walfischknochens rekonstruieren. Und vielleicht finden wir dann auch heraus, wie er in die Hände dieses kleinen Stromers names Ruben gelangt ist.«
    Natürlich war das ein hervorragender Ausgangspunkt, aber wollte sie den Weg in Arjens Vergangenheit wirklich gemeinsam mit Mattes weitergehen? Nachdenklich begann Greta an ihrem Daumennagel zu knabbern, eine Unart, die sie sich eigentlich schon als Jugendliche abgewöhnt hatte. Zumindest hatte sie das geglaubt.
    »Natürlich kannst du der Spur auch allein folgen.« Mattes deutete Fado, zu ihm zu kommen. »Ich will dann mal los, das letzte Tageslicht ausnutzen.«
    Über den Wiesen hatte sich innerhalb kürzester Zeit Dunkelheit ausgebreitet. Die Tage waren bereits merklich kürzer geworden, und für Ende Oktober war es außergewöhnlich kalt. Alles deutete darauf hin, dass der Winter früh einbrechen würde. »Vielen Dank«, sagte Greta und drehte sich endlich um, obwohl ihr dabei ganz schwindelig wurde. »Besonders für den Hinweis mit der Harpune. Ich wollte morgen zur Recherche nach Aurich fahren, dann weiß ich gleich, in welche Richtung ich suchen muss.«
    »Ja, dann«, sagte Mattes und wandte sich zum Gehen ab.
    Greta sah ihm nach, betrachtete sein widerspenstiges dunkles Haar, seinen breiten Rücken und die Stiefel an seinen Füßen. In ihren Ohren klang noch das Geräusch seiner nackten Sohlen auf dem Holzboden, als sie vor ein paar Tagen in seine Wohnung eingefallen war. Mit einem Mal stieg die Erinnerung daran auf, wie sich seine Lippen auf ihrer Wange angefühlt hatten, und an seinen Duft, den sie lediglich flüchtig eingefangen hatte. Erst jetzt war sie in der Lage, den Geruch in Worte zu kleiden. Mattes roch nach Birkenwald, nach Moos, Gras, frisch gefallenem Laub, feuchter Rinde, und dann dieses feine, unterschwellig metallische Aroma …
    »Mein Großvater wird sterben«, brach es aus Greta hervor. »Die Leukämie, an der er erkrankt ist, ist untherapierbar, und er hat das akzeptiert. Ich weiß aber nicht, ob ich das ebenfalls kann … Ihn gehen lassen. Das scheint mir die schwerste Herausforderung überhaupt zu sein. Und dabei herrscht bei mir im Augenblick wirklich kein Mangel an Herausforderungen. Egal in welche Richtung ich sehe, alles deutet auf Beekensiel, als läge hier die Lösung für die vielen Rätsel in meinem Leben bereit. Aber wenn das so ist, dann erkenne ich sie nicht, und je gründlicher ich danach suche, desto mehr gerate ich

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