Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman
durcheinander.« Als Mattes sich ihr zuwendete, machte Greta unweigerlich einen Schritt zurück, was ihm nicht entging. Sie konnte die Enttäuschung in seinen Augen lesen. »Und du bist auch so eine Herausforderung. Ich fühle mich zu dir hingezogen, aber reichen Gefühle allein aus?«
»Kennst du einen besseren Grund, um einen Anfang zu wagen?«
Während Greta noch darüber nachdachte, war Mattes schon bei ihr und schloss sie in seine Arme. Sie spürte seine Lippen, jedoch nicht sanft auf ihrer Wange, sondern fordernd auf ihrem Mund. Einen Moment lang war sie wie erstarrt, dann gab sie nach. Viel mehr als das. Sie erwiderte sein Drängen, während ihre Hände gar nicht erst die Umarmung erwiderten, sondern sich auf die Suche nach einem Weg unter seinen Parka machten und unter all die anderen Kleidungsschichten, die sie voneinander trennten. Das Bedürfnis, die Distanz zwischen ihnen zu überbrücken, war mächtiger als ihre Bedenken, genau wie ihr Wunsch, ihn zu erleben, ungezügelt und ohne jede Zurückhaltung. Mattes spürte und erwiderte ihre Ungeduld. Er streifte seine Jacke und den derben Pullover ab, und als ihre Finger über seine Unterarme glitten, spürte sie noch einen Rest der Kälte und die Hitze darunter. Als sie ihr Gesicht in der Senke seitlich seines Halses vergrub, wie sie es in Gedanken schon getan hatte, fühlte es sich wie eine Erlösung an. Danach hatte sie sich gesehnt. Allerdings herrschte die Empfindung nur kurz vor, denn sie wurde fortgeschwemmt von dem Verlangen, ihn zu entdecken, zu spüren, jeden Bogen, jedes Tal seines Körpers zu erforschen. Mehr, mehr , schallte es zwischen ihren pulsierenden Schläfen, während ihre Lippen sich nicht entschließen konnten, seinen Mund zu liebkosen oder auf Wanderschaft entlang seiner rauen Kehle bis hinab zu der sanft geschwungenen Einkerbung unter seiner Brust zu wandern. Seine Hände glitten über ihre Taille und entlang ihrer Hüften, während der Tanz zwischen ihnen enger wurde. Sie überließ sich dem Rhythmus, den ihre beiden Körper eigenständig fanden, überließ sich dem Brand, den die Berührungen seiner Haut auf ihrer auslösten. Es war ein gegenseitiges Bedrängen und Locken … Und irgendwann war da nur noch das Bedürfnis, ihn zu sich zu nehmen, mit auf die Decken neben dem Ofen, dessen rötlicher Schein ein Schattenspiel zwischen seinen Muskeln entstehen ließ. Vermutlich hätte sie sich in seinem Anblick verloren, wenn er sich nicht zu ihr gelegt hätte, obwohl der Platz kaum ausreichte, aber sie wollte ja auch gar keinen Abstand mehr zwischen ihnen. Sie wollte, dass er seinen Schenkel über ihren gleiten ließ, sie wollte das Gewicht seines Körpers spüren, bevor sie jeden Gedanken verlor und nur noch spürte und erlebte …
27
Wenn ich den Walfischknochen in meiner Hand halten würde, dann würde er gewiss auf Mattes deuten , dachte Greta. Plötzlich wurden alle Stationen auf ihrem bisherigen Weg zu Zwischenstationen und als sei sie erst jetzt, auf Beekensiel, angekommen. Dort, wo er gewartet hatte, nachdem er sich lange Zeit in der Weltgeschichte herumgetrieben hatte.
Während Mattes das Coupé in Richtung des Dorfes lenkte, tauchten die ersten Lichter auf. Die Fahrt über die unbefestigten Straßen in der Dunkelheit hatte sie dankend ihm überlassen. Zu ihrer Erleichterung hatte Mattes sich ohne weiteres dazu überreden lassen. Der Himmel sah aus, als habe ihn jemand mit einem schwarzen Samttuch abgedeckt, und wüsste sie es nicht besser, hätte sie darauf getippt, dass es bereits tiefste Nacht war. Dabei setzten sich im Leileckerland vermutlich gerade einige späte Gäste an den Tisch, um sich von Trude das Abendmenü auftragen zu lassen. Greta hatte zwar schon seit Stunden nichts mehr gegessen, aber Hunger verspürte sie keinen. Sie war vielmehr erschöpft, auf eine zufriedene Weise, die ihr unentwegt ein Lächeln auf die Mundwinkel legte. Sie schmiegte sich in ihren Sitz und studierte in Ruhe Mattes’ Profil. Zuerst hatte er sich deshalb noch über sie lustig gemacht, aber mittlerweile sah er sie nur immer wieder lächelnd an.
Der Parkplatz des Hotels Sturmwind tauchte viel zu schnell vor ihnen auf und zerriss unvermittelt die Nebelwand, hinter der Greta es sich gemütlich gemacht hatte. Als Mattes ihr die Tür öffnete, murrte sie ihn unwillig an. Auszusteigen kostete schlichtweg zu viel Energie, die sie mit ihren wackeligen Knien kaum aufbringen würde.
»Kommst du von allein auf die Beine oder ist es dir lieber,
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