Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman
tut mir so unendlich leid für dich und deine Familie.«
Ehe Greta es sich versah, hatte Erik sie umarmt und an seine Brust gezogen. »Lass es gut sein«, versuchte sie seinen Griff abzuwehren, aber er drückte sie nur fester an sich. Als wäre sie ein Kind, das dringend Trost brauchte. Sie musste ihm erst beherzt einen Stoß verpassen, bis er nachgab. Obwohl … ganz frei gab er sie nicht, seine Hand blieb auf ihrer Schulter liegen.
»Entschuldige. Da ist eben wohl was mit mir durchgegangen.« Erik wischte sich über den Mund, wie um zu überprüfen, ob seine Mimik auch mit seinen Worten übereinstimmte. »Es ist nur … Ausgerechnet jetzt, wo du mich mehr als je zuvor brauchst, klafft diese Kluft zwischen uns. Weil ich einen dummen, einen verdammt dummen Fehler gemacht habe, das gebe ich zu. Lass mich trotzdem für dich da sein, dich in dieser Krise unterstützen, bitte. Außerdem möchte ich nicht außen vor bleiben, schließlich war ich in den letzten Jahren auch Teil dieser Familie, auch wenn es mich nur selten nach Meresund verschlagen hat. Egal welche Fehler wir in der Vergangenheit gemacht haben, jetzt ist es Zeit zusammenzuhalten. Dafür hat man doch eine Beziehung!«
Kein Wort über die Trennung, die in Gretas Erinnerung eindeutig vollzogen worden war, als Erik sie eine verrückte Idealistin genannt und eifrig die von ihr in das Wind-Tech-Netz gestellten Daten über seine Geschäfte gelöscht hatte, anstatt sich zu erklären.
»Das ist wirklich ein lieb gemeintes Angebot, und ich kann mir durchaus vorstellen, was es dich kostet, es mir zu unterbreiten«, sagte Greta. »Ich werde es jedoch nicht annehmen, weder was deine Fürsorge anbelangt, noch deinen Wunsch nach Versöhnung. Das mit uns ist vorbei, das war es schon, als ich dich in Zürich verlassen habe.«
»Hör mal, Greta«, mischte Mattes sich unvermittelt ein. »Ich weiß nicht, was zwischen euch beiden vorgefallen ist, aber eine Chance, seine Fehler zumindest zu erklären und sich für sie zu entschuldigen, sollte eigentlich jeder bekommen. Die Zeit solltest du dir nehmen, auch in deinem eigenen Interesse.« Dann pfiff er nach Fado, der ausgesprochen unmutig antrabte. So wie die Ohren des Labradors hinabhingen, hatte er sich auf ein längeres Päuschen im Warmen eingestellt gehabt. »Einen schönen Abend noch.«
Greta ließ Erik stehen und eilte Mattes hinterher. Im Windfang holte sie ihn ein. »Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen«, flüsterte sie. Dabei war ihr durchaus klar, dass Mattes gar nichts anderes übrigblieb.
»Ich hätte mir auch einen anderen Ausklang für diesen Abend gewünscht, aber so ist es vermutlich das Beste. Der Mann, mit dem du zusammengelebt hast, ist allem Anschein nach einen weiten Weg nach Beekensiel gekommen, um mit dir zu sprechen. Eure Trennung ist also noch ganz frisch, falls es denn überhaupt eine richtige Trennung war.«
»Natürlich war sie das!« Greta konnte kaum glauben, in welche Richtung Mattes’ Gedanken gingen. »Für mich ist Erik Brunner Vergangenheit.«
»Nun, er scheint das anders zu sehen. Sprich mit ihm und finde in Ruhe heraus, ob du ihm nicht doch noch eine Chance geben willst. Und selbst wenn nicht, findest du auf diese Weise möglicherweise heraus, dass das zwischen uns nur zur Überbrückung dient. Liebeskummer bekämpft man ja bekanntlich am besten mit einer Affäre.«
»Wie kommst du nur auf die absurde Idee, dass du bloß eine Ablenkung für mich bist?«
»Weil du vorhin sehr deutlich gesagt hast, dass du dich nicht auf einer Insel wie Beekensiel siehst. Und wie du gewiss von Mathilde erfahren hast, kann ich mir unter keinen Umständen vorstellen, mein Leben hier aufzugeben. Was sollte es also anderes sein als etwas für zwischendurch?«
Schwer getroffen stand Greta da und ließ sich von Mattes zum Abschied auf die Wange küssen.
»Lass dir das alles in Ruhe durch den Kopf gehen, ich bin ohnehin die nächsten Tage unterwegs. Mein Boot muss dringend aufs Festland, bevor der Winter zuschlägt, ich werde gleich morgen früh aufbrechen. Zum Winterliegeplatz werde ich knapp zwei Tage unterwegs sein.«
»Und wenn du zurück bist?«
Mattes sagte nicht »Dann machen wir da weiter, wo wir gerade gezwungenermaßen aufgehört haben«, sondern erwiderte bloß stumm ihren Blick, ehe er zur Tür hinaus verschwand.
28
Nein. Nein, sie wollte es nicht.
Greta lief wütend am Strand entlang und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Wenigstens in einem Punkt war sie sich absolut sicher: Sie
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