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Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman

Titel: Das Geheimnis des Walfischknochens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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zulässt?«
    »Ja, gewiss doch, das würde ihm bestimmt gefallen«, sagte Greta fest überzeugt.
    »Es wäre schön, mit jemandem zu reden, der Ruben ebenfalls gekannt hat … Und ihn vermisst.«
    Endlich wagte es Greta, die Frage auszusprechen, die ihr schon lange auf der Zunge lag: »Wohin ist Ruben denn gegangen?«
    Adeles Blick kehrte zum Meer zurück, dem wogenden grauen Seidenband, während es merklich in ihr arbeitete. Greta überkam das Gefühl, als müsse sie nur noch die Hand ausstrecken, dann würde sie die Vergangenheit zu fassen kriegen. Es fehlten nur noch wenige Millimeter … In diesem Moment kam eine schreckensbleiche Trude in den Frühstücksraum.
    »Einen solchen Anruf habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erhalten, und ich möchte auch nicht, dass es je wieder geschieht. Ich fühle mich, als hätte man mir einen Eimer eisiges Wasser über den Kopf gegossen. Grauenhaft, ganz grauenhaft.«
    »Was – um Gottes willen – faselst du, Trude? Hast du dir am frühen Morgen einen Schluck Rum im Tee gegönnt?« Adele wirkte ernsthaft erbost über diese Unterbrechung.
    »Natürlich nicht, was denkst du von mir? Du bist unmöglich, Adele. Sogar in einer solchen Situation kannst du deine spitze Zunge nicht im Zaum halten.«
    »Was für eine Situation denn?« Ein ungutes Gefühl machte sich in Greta breit und wurde ständig stärker.
    Augenblicklich besann sich Trude und warf Greta einen entschuldigenden Blick zu. »Eben hatte ich eine nette Dame von den Seenotrettern am Telefon, nachdem sie es vorher wohl bei dir zuhause probiert hat, Adele. Wir sollen uns alle nicht aufregen, hat die Dame gesagt. Also bleibt bitte ganz ruhig.«
    Mit einem Satz war Greta auf den Beinen, während von Adele lediglich ein gequältes Stöhnen zu hören war. »Geht es um Mattes?«
    »Ja«, gestand Trude ein, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. »Er hatte mit seiner Jolle wohl Probleme wegen des Sturms gestern, und die Seenotretter mussten ihn aufs Festland bringen. In die Nordener Klink, um genauer zu sein. Wegen Unterkühlung und ein paar Blessuren. Außerdem ist er gerade im Operationssaal, hat die freundliche Dame gesagt. Der wird schon wieder, was auch immer ihm passiert ist. Mattes ist nicht so leicht kaputtzukriegen.«
    Mehr brauchte Greta nicht zu wissen. Sie war schon halb zur Tür hinaus, als sie Trude über die Schulter zurief: »Kümmern Sie sich um Adele, ich fahre in die Klinik.«
    »Nicht doch!«, protestierte Trude. »Bei diesem Wetter kommen Sie niemals aufs Festland, die Verbindungsstraße ist wegen hohen Wellengangs bestimmt gesperrt!«
    Das werden wir ja sehen, dachte Greta und stürmte die Treppen hinauf, um Jacke und Autoschlüssel zu holen. Auf dem Weg begegnete sie Anette, die gerade Hand in Hand mit Thomas Roder um die Ecke kam.
    »Frühstückst du mit uns?«, flötete ihre Mutter.
    »Tut mir leid, aber ich muss aufs Festland. Mattes ist im Krankenhaus und wird im Augenblick operiert. Ich muss sofort zu ihm.«
    Greta hörte, wie ihre Mutter ihr hinterherlief und Fragen stellte, doch sie blendete Anette kurzerhand aus. Innerhalb eines Moments hatte sich alles verschoben, nun gab es für sie nur noch ein Ziel: bei Mattes zu sein. Alles andere musste warten.
    Ohne zu wissen, wie ihr geschah, fand Greta sich in Arjens altem Coupé wieder und hatte den Irrgarten der Dorfstraßen hinter sich gelassen, ohne einen Unfall gebaut zu haben. Doch die Schranke vor der Verbindungsstraße stoppte ihre Fahrt. Zu beiden Seiten des Übergangs zum Festland schäumten die Wellen, bäumten sich auf und leckten über die Befestigung. Immer wieder schickten sie einen Schwall Wasser bis auf die Straße. Allein bei diesem Anblick drehte sich Greta der Magen um und erinnerte sie an die Furcht, die sie bei ihrer letzten Überquerung erfasst hatte. Und da hatte es keine Überflutung gegeben. Trotzdem stieg sie aus dem Wagen und lief zu dem Häuschen, von dem aus die Schranke kontrolliert wurde.
    »Hallo? Ist jemand da?«
    Greta hämmerte heftig gegen die Tür. Offenbar einen Tick zu heftig, zumindest dem Gesichtsausdruck des jungen Mannes nach, der öffnete. Es war ein langer Schlacks mit Kapuzenpulli und Augenringen. »Moin«, sagte er verkniffen.
    »Ja, moin. Können Sie bitte die Schranke hochmachen? Ich muss nämlich dringend aufs Festland.« Jedes Wort schien Greta ein Wort zu viel.
    Der Wächter schätzte die Lage hingegen anders ein und stierte Greta erst einmal an, bevor er sich zu einer Antwort herabließ.

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